Nach den Grünen startete heute die zweite Parlamentspartei in den offiziellen Wahlkampf. Die SPÖ versammelte Anhänger und Parteimitglieder in der Grazer Stadthalle, um sich auf den Wahlkampf einzustimmen.

Hauptprogrammpunkt ist eine rund dreiviertelstündige Rede von Parteichef und Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ). Im Anschluss ist ein Fest für die mehr als 3000 Teilnehmer der Veranstaltung geplant.

Luftballons sind in in diesem Wahlkampf, und mit vielen roten Luftballons wird auch Christian Kern in der Grazer Stadthalle empfangen. Gute Stimmung ist angesagt, und eine "Kampfansage an die Besserwisser, die glauben, dass das Schicksal der SPÖ von einem einzigen Berater abhängt".

Die Gattin, die Regierungsmitglieder, der steirische Spitzenkandidat Jörg Leichtfried - alle geben Kern hier die Ehre. Er und seine Rede stehen im Mittelpunkt. Und die Hoffnung, dass der Wahlkampf von Graz aus endlich in Fahrt kommt.

Leichtfried und Pamela Rendi-Wagner, die Kern als wichtigste politische Begleiterin an seine Seite geholt hat, bekommen besonders viel Applaus. Rendi-Wagner hat sich zuletzt durch einen wirkungsvollen Auftritt auch in der ORF-Sendung "Im Zentrum" am vergangenen Sonntag den Respekt der Genossinnen und Genossen verschafft.

Christian Kern und sein Team: Einen Sonderapplaus gab es für den steirischen Spitzenkandidaten Jörg Leichtfried
Christian Kern und sein Team: Einen Sonderapplaus gab es für den steirischen Spitzenkandidaten Jörg Leichtfried © Gigler

Der österreichische Traum

Am Anfang war es noch die Volksmusik, jetzt sind es fetzigere Töne, die die Menge in Schwung bringen. Kern habe den österreichischen Traum gelebt, begleitet die Moderatorin den Star des Abends ein. Und er sei  der Garant dafür, dass auch alle anderen Österreicherinnen und Österreicher ihren Traum leben könnten.

Als "außergewöhnlich bewegenden Moment" empfindet der SPÖ-Spitzenkandidat den Jubel, der ihn empfängt. "Es ist gut zu wissen, wie viele hinter einem stehen."

Eine Richtungsentscheidung, eine zukunftsweisende Auseinandersetzung stehe in den kommenden Wochen an. Es werde eine Entscheidung darüber sein, ob alle vom Aufschwung profitierten oder nur wenige, ob das Verbindende in den Vordergrund rücke oder das Trennende. "Da muss uns klar sein, dass das kein Spaziergang wird und dass es auf der anderen Seite gegen ein Weltbild geht, das meint, dass der Wert eines Menschen vom Kontostand abhängt, dass man sich Politik kaufen kann."

"Für uns ist das Solidarität"

Es gehe darum, dass man dem, der auf den Boden falle, wieder aufhelfe und nicht noch drauftrete auf ihn. "Manche nennen das Nächstenliebe. Für uns ist das Solidarität."

Manche gingen durchs Land und glaubten, sich das Land aufteilen zu können. "Mit derselben Hochmütigkeit, die schon 2000 geherrscht hat. Das sind die, die heute noch der besten Zeit ihres Lebens nachtrauern", die der Buberlpartie die Stange gehalten hätten und noch heute an diese glaubten.

"Die freuen sich zu früh. Wir werden dafür brennen und dafür rennen", so Kern. "Wir treten an mit dem Anspruch, Nummer 1 zu werden."

"Offenbar geht es darum, andere fertigzumachen"

Der Plan A, als Beitrag zum Wettbewerb der besten Ideen, wird beschworen, die soziale Sicherheit. Und dann der Angriff: Menschen würden unter Druck gesetzt, Familien in den Wahlkampf gezogen, Lügen in die Welt gesetzt: "Offenbar geht es jetzt darum, andere einzutunken, richtig fertigzumachen." Er sei überzeugt, dass sich die Österreicher nicht für dumm verkaufen ließen und merkten, was sich da abspielt. "Sie werden am 15. Oktober die Ehrlichkeit wählen, unsere Politik."

Er halte das aus. "Wer in die Küche geht, muss auch ein bissl Hitze vertragen." Aber wenn die, die seit 15 Monaten "dirty campaigning " betrieben, "bei den ersten kritischen Journalistenfragen zu jammern beginnen, dann ist das richtig schwach". Wer das schon für eine Krise halte, habe keine Ahnung, welche Prüfungen das wirkliche Leben parat halte. Kern bezog sich damit auf die Auseinandersetzung über Tarek Leitner im Vorfeld des ORF-Sommergesprächs.

Wissen, wo der Schuh drückt

Der Plan der SPÖ sei es, die Lebensverhältnisse der Menschen zu verhindern. "Wenn wir das wollen, müssen wir uns damit auseinandersetzen, wo der Schuh drückt, wir müssen das spüren!" Armut, Arbeitslosigkeit, Perspektivenlosigkeit - "nur wenn wir das verstehen, finden wir Antworten darauf".

Kern und "Hausherr" Michael Schickhofer, dazu Leichtfried und Pamela Rendi-Wagner

Die Politik von Bruno Kreisky in den 70er-Jahren habe den Menschen Chancen eröffnet. "Ich war der Erste in der Familie, der studiert hat, der auf die Universität gehen konnte." Der Lebenstraum, der erfüllt wurde.  Und der Glaube daran, dass es für alle besser werde - bis die Finanzkrise kam. "Das ist mir so wichtig: Jetzt dafür zu sorgen, dass dieses Land wieder in die Spur kommt. Wer dieses Land liebt, der redet es nicht krank, der packt an."

"Politik soll man sich nicht kaufen können"

Das gestiegene Wirtschaftswachstum sieht Kern als seinen Erfolg, die Trendwende am Arbeitsmarkt als Konsequenz seines politischen Handelns.

Den Slogan der SPÖ, das zu holen, was einem zusteht, den Klassenkampf spricht Kern an: "Aber das ist nicht links oder rechts, da geht es um Fairness." Die, die das Land tragen, die Arbeiter, die kleinen Angestellten, die Beamten, die wolle die SPÖ ansprechen, "die müssen wir in die Mitte der Gesellschaft holen".

Die ÖVP mit dem Wirtschaftsprogramm, das über Steuererleichterungen 4,5 Milliarden Euro in die Taschen der Großunternehmer spülen soll, nimmt Kern aufs Korn. Die, die jetzt Großspenden für die ÖVP lockermachten, in der Erwartung, dass sich das für sie rentiere. "Das ist der Grund, warum wir gesagt haben, wir nehmen keine Großspenden an. Wir wollen nicht jenen verpflichtet sein, die meinen, dass man sich Politik kaufen kann."

"Alles versprochen, alles gebrochen"

Und noch einmal eine Kampfansage an ÖVP und FPÖ: "Diese Parteien haben schon einmal alles versprochen und am Ende alles gebrochen. Deshalb sollte man diese Parteien nicht mehr wählen."

Die Steuerpolitik, die Frauenpolitik, die Familienpolitik spricht Kern an, um Belege für sein Weltbild und das der SPÖ zu transportieren. Und den Kontrast zu den politischen Herausforderern herauszustreichen, mit ihren Konzepten, "die ausschließlich den Wohlhabenden im Land dienen" und, im Falle der FPÖ, zum Ziel hätten, "dass sich die Frauen wieder am Heiratsmarkt hervortun und nicht am Arbeitsmarkt".

Oder, im Falle der ÖVP, überrascht draufkämen, dass es auch Alleinerzieherinnen gibt. "50.000 Frauen in Österreich sitzen auf Ansprüchen gegenüber ihren Ex-Männern, die nicht erfüllt werden, und die ÖVP sagt: Holts euch doch das Geld von denen." Das geht den Genossinnen und Genossen im Saal ins Mark, Kern traf den richtigen Ton.

Kurs halten, auch wenn es Stimmen kostet

Und Kern spricht auch das Ausländerthema an: "Nicht jedes nationale Problem hat mit den Flüchtlingen zu tun." Probleme müssten gelöst werden, ohne die Menschen gegeneinander auszuspielen, was niemandem etwas bringe. Dafür stehe die SPÖ, "auch wenn uns das das eine oder andere Prozent kostet".

Veränderungen seien unausweichlich, und die Sozialdemokratie müsse sich an die Spitze der Veränderungen stellen. Die Bildung sei der Schlüssel zur Befähigung der Menschen, mit diesen Veränderungen umzugehen. Wirtschaftliche Verantwortung müsse kombiniert werden mit sozialer Sicherheit. Und eine aktive Außenpolitik sei notwendig, ein Ringen um unsere Position innerhalb Europas. "Der Orbánisierung treten wir mit Entschiedenheit entgegen." Die großen Fragen könnten nur im Zusammenwirken innerhalb Europas gelöst werden, aber "dieses Europa muss wieder ein Europa der Menschen werden".

Es brauche mehr europäische Solidarität, die Übernahme von Verpflichtungen, bezog sich Kern auf die jüngsten Reaktionen von Ungarn und Co auf das EuGH-Urteil. Da müsse man Klartext reden. "Weil Europa eine leuchtende Stadt auf einem Hügel sein muss und nicht im nationalistischen Sumpf versinken darf."

Jungs und warme Sesseln interessierten ihn "null", und "ich bin nicht bereit, dafür unsere Grundsätze über Bord zu werfen". Er solle das Land in eine gute Zukunft führen. "Dafür brauche ich eure Unterstützung, das ist nicht mein Kampf, es ist euer Kampf."

Konfettiregen am Schluss und tosender Applaus - die eigenen Leute hat Christian Kern beim Wahlkampfauftakt mit auf die Reise nehmen können.