Während die Republik über Mauern diskutiert, hat sich Peter Pilz am Freitag einen Keller, der wie ein Schutzbunker wirkt, für seine Pressekonferenz ausgesucht. Dabei präsentierte der Gründer der Liste Pilz einen Mitstreiter für seine Individualbeschwerde beim Verfassungsgerichtshof. Der Grüne Abgeordnete Karl Öllinger unterstützt Pilz. „Ich unterstütze und unterschreibe die Beschwerde, betone aber, dass ich kein Kandidat der Liste Pilz bin“, betont Öllinger.
Inhaltlich geht es um die Geschäftsfordnung des österreichischen Nationalrats, der seit 2013 vorsieht, dass neue Klubs nur zu Beginn einer Legislaturperiode gegründet werden können. „Mittlerweile gibt es 14 fraktionslose Abgeordnete im Parlament, die haben alle keine Möglichkeit mehr, in Ausschüssen zu arbeiten“, sagt Pilz. Dies sei verfassungswidrid, so die Argumentation. "Mit der Beschwerde wollen wir zeigen, dass jederzeit fünf Abgeordnete zusammenfinden könnten, um einen Klub zu gründen.“
"Kann auch um 20 Millionen Euro gehen"
Der Hintergrund der Klage ist freilich ein anderer. Pilz wird vom ORF nicht zu den direkten Wahlduellen mit den anderen Spitzenkandidaten eingeladen – hier sind nur jene Parteien geladen, die Klubstatus (mindestens fünf Abgeordnete) im Parlament haben. Pilz attackiert ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz erneut heftig. „Das ORF-Gesetz wird systematisch gebrochen, das grenzt an Zensur. Wir können uns das nicht Gefallen lassen“, sagt Pilz. „Der ORF sollte den Seherinnen und Sehern verpflichtet sein. Aus journalistischer Sicht müssten wir zu den Duellen geladen werden.“
Deshalb geht der ehemalige Grüne, der sich in den Umfragen mit seiner Ex-Partei und den Neos matcht, auch gegen die ORF-Geschäftsführung vor. Eine Beschwerde bei der Kommunikationsbehörde RTR - KommAustria wird Anfang nächster Woche eingebracht. Sollte es eine Entscheidung pro Pilz geben, kann dieser bei einem Zivilgericht eine Feststellungsklage einbringen. „Vor allem, wenn wir nicht in den Nationalrat einziehen sollten, entsteht uns ein gewaltiger Schaden. Dann wird es für den ORF enorm teuer, da kann es auch ein Verfahren um 20 Millionen Euro werden.“ Aktuell geht Pilz aber von rund fünf Millionen Euro aus, also eine Million Euro jährlich in der kommenden Gesetzgebungsperiode.
Verfassungsrechtler sieht keine Chance
Verfassungsrechtler Theo Öllinger hält die Beschwerde der Liste Pilz gegen die Einschränkung bei der Klubgründung für aussichtslos. Pilz fehle schlicht die Klageberechtigung, sagte er am Freitag auf APA-Anfrage. Keine Erfolgsaussicht sieht auch Albert Steinhauser, der Klubchef der Grünen. Wann sich der VfGH mit der Beschwerde befassen wird, ist noch offen.
"Pilz kann nicht einfach gegen ein Gesetz klagen, er braucht ein Drittel der Abgeordneten", formulierte Öhlinger seine prozessualen Bedenken. Der Ex-Grüne sei Organ des Staates, er könne hier nicht mittels Individualbeschwerde als Privatperson auftreten. Auch dass insgesamt fünf Abgeordnete - jene Anzahl, die früher noch uneingeschränkt einen Klub gründen konnte - dahinter stehen, könne nicht als Legitimation dienen.
Inhaltlich problematisch
In inhaltlicher Sicht hält der Verfassungsrechtler den Passus der Geschäftsordnung aber sehr wohl für problematisch. "Bei der sehr hohen Wertschätzung, die das freie Mandat in der Judikatur des VfGH hat, kann man schon argumentieren, dass die Abgeordneten das Recht haben müssen, sich jederzeit zu einem Klub zusammenzuschließen", so Öhlinger.
Wann die Beschwerde vom VfGH behandelt wird ist noch offen. Das Prozedere erfolge wie jedem anderen Antrag, sagte Sprecher Wolfgang Sablatnig. Der Antrag werde nach seiner Einbringung einem Richter zugeteilt, bearbeitet und nach Fertigstellung in einer der Sessionen des Höchstgerichts behandelt.
Gelassen zeigte man sich ob der Beschwerde und der Unterstützung durch den Abgeordneten Karl Öllinger bei den Grünen. Klubchef Steinhauser betonte, dass seine Fraktion zwar seinerzeit gegen de Gesetzesänderung gestimmt habe. Er sieht aber weder rechtlich-argumentativ, noch in der Art der Einbringung eine Chance zur Durchsetzung für Pilz. Zu Öllinger sagte er: "Er ist Grüner, bleibt Grüner und bleibt Mitglied des Klubs."
Wenig Aussicht auf Erfolg
Die von Pilz angekündigte Beschwerde und Klage gegen den ORF hat ebenfalls wenig Aussicht auf Erfolg. Die bisherige Spruchpraxis von Medienbehörde bis hin zum Verwaltungsgerichtshof dazu ist eindeutig. Beide Instanzen sehen es als "sachlich gerechtfertigt" an, wenn der ORF bei seiner Einladungspolitik zu den TV-Konfrontationen auf das Bestehen eines Parlamentsklubs abstellt.
Dies geht etwa aus einer Beschwerde der NEOS aus dem Jahr 2013 hervor. Die Pinken hatten damals Medienbehörde und Verwaltungsgerichtshof angerufen, weil sie bei den Konfrontationen, der "Wahlfahrt", "Im Zentrum" und in der Ö1-Sendereihe "Klartext Spezial" nicht eingeladen waren. Der ORF hatte zu den Sendungen nur im Parlament vertretene Parteien mit Klubstatus zugelassen. Das Team Stronach wurde deshalb zu den Sondersendungen zur damaligen Nationalratswahl eingeladen, die NEOS traten erstmals an, waren noch nicht im Parlament vertreten und blieben damit draußen vor der Studiotür.
Der ORF habe mit dieser Entscheidung nicht gegen das Objektivitätsgebot im ORF-Gesetz verstoßen hielt der Verwaltungsgerichtshof im August 2015 in letzter Instanz fest. Auf die Frage des Klubstatus hatte die Medienbehörde bzw. der damals zuständige Bundeskommunikationssenat schon einmal 2006 abgestellt und dieses Kriterium für "sachlich gerechtfertigt" beurteilt.
Pilz, der sich mit einer eigenen Liste von den Grünen abgespalten hat, der aufgrund der inzwischen geänderten Nationalratswahlordnung derzeit aber keinen eigenen Klub im Parlament gründen kann, fühlt sich vom ORF boykottiert und will diesen klagen, wie er gegenüber der "Krone" ankündigte. In den nächsten Tagen werde er bei der Medienbehörde eine Beschwerde wegen Verletzung des Objektivitätsgebots einbringen, danach will Pilz eine Feststellungsklage beim Zivilgericht in Höhe von fünf Millionen Euro einbringen. Diese Summe ergebe sich daraus, dass seiner Liste mit Klubstatus im Nationalrat eine Million Euro Klubförderung pro Jahr zustehen würde, und zwar über die gesamte Legislaturperiode von fünf Jahren.
Kaum mehr als eine flotte Schlagzeile
Mehr als eine flotte Schlagzeile dürfte von dieser Ankündigung aber nicht übrig bleiben. Beschwerden vor Ausstrahlung der betroffenen Sendungen wurden bisher in der Regel abgewiesen, da Programminhalte wegen der sogenannten (Vor)Zensurfreiheit vor der Aussendung nicht einer Überprüfung und Genehmigung durch die Medienbehörde unterzogen werden.
Für eine erfolgreiche Schadenersatzklage sind laut Juristen wiederum die Kriterien der Kausalität, der Rechtswidrigkeit und des Verschuldens erforderlich. Das heißt, es muss sich um vorwerfbares Verhalten handeln. Da sich der ORF in seiner Entscheidung auf die Nichteinladung von Pilz aber auf die bisherige Judikatur beruft, könne auch keine Rechtswidrigkeit vorliegen. Mangels Rechtswidrigkeit scheide ein Schadenersatzanspruch damit aus, so die Einschätzung von Rechtsexperten.