Der erste Angriff beider Kontrahenten im ORF-Gespräch "Im Klartext" galt denn auch dem abwesenden Sebastian Kurz, dessen ÖVP in den Umfragen deutlich vor Rot und Blau liegt. Obwohl er selbst nur in Vertretung des Außenministers geladen war, fand FPÖ-Chef Heinz Christian Strache dessen Abwesenheit gleich zum Auftakt "schade": "Da hat man fast den Eindruck, er ist der teuerste Flüchtling Österreichs." Christian Kern werde ihn aber wohl gut vertreten. Der SPÖ-Chef feixte dann, es mache wohl keinen Unterschied, dass der Herr Außenminister nicht da sei, habe der doch der FPÖ zuerst bei der Flüchtlingspolitik "alles nachgemacht" und dann "mit 14 Tagen Verspätung dasselbe Wirtschaftsprogramm vorgelegt".
Zum ersten Mal waren Kern und Strache im vorigen November im selben Setting öffentlich aufeinandergetroffen und hatten sich damals ein recht amikales Streitgespräch geliefert. Diesmal gab es dagegen über weite Strecken die dem Wahlkampf angemessene Konfrontation: Strache warf der Regierung vor, nicht nur die Flüchtlingskrise übersehen zu haben, sondern auch die - jetzt von der FPÖ plakatierte - "Fairnesskrise". Kern konterte mit guten Wirtschaftsdaten und warf Strache vor, mit seiner Wirtschaftspolitik nicht die Interessen der kleinen Leute zu vertreten, sondern jene der obersten zwei Prozent.
Marketing statt Ökonomie?
Für Lacher bei seinen Anhängern im vollen großen Sendesaal des ORF-Radios sorgte Strache, als er Kern vorwarf, das blaue Wirtschaftsprogramm falsch zitiert zu haben. "Da sieht man, dass Sie Marketing studiert haben und nicht Ökonomie", hielt der FP-Chef dem Kanzler unter dem Applaus seiner Fans entgegen. Kern revanchierte sich wenig später mit einer aus dem roten Lager begeistert beklatschten Gegenattacke, als ihm Strache mangelnde Managementqualitäten in der Causa Silberstein attestierte. Ja, es sei ein Fehler gewesen, nicht früher zu reagieren, gestand Kern ein, aber: "Ich habe von Ihnen nie gehört, da ist was schief gelaufen. Sie und Ihre Partei haben fast Kärnten versenkt. Hat sich jemals ein Funktionär dafür entschuldigt?"
Den für beide Parteien schwachen Umfragewerten wollten beide Politiker wenig Bedeutung beimessen. Es gebe bis zur Wahl am 15. Oktober noch viele weitere ähnliche Gelegenheiten, "das wird eine Klärung bringen", verwies Kern auf die beachtliche Zahl an Wahlkampf-Konfrontationen. Und auch für Strache werden im Wahlkampf die Karten neu gemischt. "Ich möchte keine Umfragen gewinnen, sondern die Wahl."
"Viele Fässer Bier mit der ÖVP"
Nach ihrem ersten Streitgespräch im vorigen November hatten Kern und Strache noch angekündigt, auf ein gemeinsames Bier gehen zu wollen. Das blieb diesmal aus - was aber wohl beide Politiker verschmerzen werden. Denn auch die damalige Ankündigung wurde in weiterer Folge nicht wahr gemacht, wie Kern eingestand und gleich eine Warnung vor Schwarz-Blau nachlieferte: "Aber macht nichts, weil der Herr Strache hat seither sicher ganz viele Fässer Bier mit der ÖVP getrunken."