Der seit längerem bekannte Urlaub von "Sommergespräche"-Moderator Tarek Leitner mit dem damaligen ÖBB-Chef und heutigen Kanzler Christian Kern (SPÖ) lässt weiter die Wogen hoch gehen.

Mit sehr scharfer Kritik reagiert der ORF-Redakteursrat auf die Vorwürfe der ÖVP gegen "Sommergespräche"-Moderator Tarek Leitner. Mit seiner "unwahren Behauptung", dass Leitner einen Marokko-Urlaub mit dem damals schon als Kanzler amtierenden SPÖ-Chef Christian Kern unternommen habe, schädige VP-Kandidat Efgani Dönmez bewusst die journalistische Glaubwürdigkeit des ORF-Mitarbeiters. Leitner beweise seit vielen Jahren in seiner Funktion als ORF-Moderator, dass er parteipolitisch unabhängig und objektiv sei. 

Die Behauptungen des Listenfünften der ÖVP hält der Redakteursrat für "ein bewusstes und absichtliches Anpatzen mit dem Zweck, einen ORF-Journalisten vor einem wichtigen Interview einzuschüchtern".

Während die FPÖ am Sonntag per Aussendung den ORF in die Mangel nahm, attackierten NEOS und SPÖ die ÖVP. Diese hatte ja zumindest indirekt Leitners Objektivität vor dem montägigen Gespräch mit Kern angezweifelt. Zudem erreichte die Affäre den ORF-Stiftungsrat. Am Montag wird Kern zum "Sommergespräch" mit Leitner erwartet.

Für den ÖVP-Fraktionsleiter im ORF-Stiftungsrat, Thomas Zach, bestehen "noch vor Start des intensivwahlkampfs Zweifel an der Objektivität der Berichterstattung des ORF", erklärte er gegenüber dem "Kurier". Er sieht ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz in der Pflicht und fordert einen Maßnahmenkatalog zur Sicherstellung der Objektivität.

Für FPÖ-Generalsekretär Herbert Kickl ist die "Urlaubsfreundschaft" sicher nur die Spitze des Eisbergs im Zusammenhang mit der "roten Freundschaftsgruppe im ORF-Zentrum am Küniglberg".

Die NEOS haben ebenfalls die ÖVP im Visier und zwar, weil deren Kandidat Efgani Dönmez behauptet hatte, Leitner sei mit Kern auch in dessen Zeit als Bundeskanzler auf Urlaub gewesen - und zwar in Marokko. Dies wurde von ORF und Kanzleramt vehement bestritten. Generalsekretär Nikola Donig fordert daher die ÖVP auf, „entweder umgehend Beleg oder Quelle der Vorwürfe offen zu legen "oder die Konsequenzen beim Listen-Fünften Dönmez zu ziehen.

Jetzt erfinde die ÖVP schon Urlaube, um die SPÖ und Bundeskanzler Kern anzupatzen, gab sich SPÖ-Bundesgeschäftsführer Georg Niedermühlbichler in einer Aussendung von der Causa betroffen. Er fragte sich, ob es der neue Stil der ÖVP sei, Diffamierungen und Unwahrheiten zu verbreiten und dann zu schweigen. Damit bezog er sich auch auf die Behauptung von Kurz vor einem Millionenpublikum, dass der Industrielle Hans-Peter Haselsteiner die SPÖ mit 100.000 Euro unterstützt habe. Dies wird sowohl von Haselsteiner als auch von den Sozialdemokraten bestritten. VP-Chef Sebastian Kurz hat dazu bisher keinen Beweis vorgelegt, die Vorhaltungen aber auch nicht zurückgenommen. 

Nach seinem Vorwurf, es gebe ein angebliches Naheverhältnis zwischen Kanzler Christian Kern (SPÖ) und "Zeit im Bild"- und "Sommergespräche"-Moderator Tarek Leitner, hatte der ÖVP-Kandidat Efgani Dönmez noch nachgelegt. Dem "Kurier" (Sonntag) berichtete Dönmez von einem weiteren gemeinsamen Urlaub von Leitner und Kern im Herbst 2016. Aus der SPÖ-Zentrale und dem ORF wurde dies umgehend dementiert.

Der Ex-Grüne Dönmez, der auf Platz fünf der ÖVP-Bundesliste kandidiert, behauptet, von einer "vertrauenswürdigen Quelle" erfahren zu haben, dass Leitner im Herbst 2016 gemeinsam mit Kern in Marokko gewesen sei, als dieser bereits Kanzler war. Da es sich bei dem anstehenden ORF-"Sommergespräch" "um ein wahlentscheidendes Interview" handle, habe das Ganze eine schiefe Optik. Der ÖVP-Kandidat fordert daher, dass ein anderer ORF-Moderator das Gespräch führen solle.

Sudelkampagne

Empört reagierten am Samstag der SPÖ-Bundesgeschäftsführer Georg Niedermühlbichler und der ORF. Kaum ein Tag vergehe, "an dem Kurz und seine Vasallen nicht neue Unwahrheiten über Bundeskanzler Christian Kern verbreiten", kritisierte Niedermühlbichler in einer Aussendung am Samstagabend und sprach von einer "Sudelkampagne". Der Vorwurf sei falsch, "Christian Kern war nämlich in seinem ganzen Leben noch nie in Marokko".

Im ORF-Zentrum Küniglberg wurden die neuen Vorwürfe ebenfalls zurückgewiesen. Dass Leitner im Herbst 2016 mit dem Kanzler urlaubte, sei schlichtweg falsch, erklärt ein ORF-Sprecher laut "Kurier".

Dennoch versuchte die ÖVP, den Druck weiter aufrecht zu erhalten. "Der ORF hat über jeden Zweifel erhaben zu sein, wenn es um die Frage der Objektivität und Ausgewogenheit geht. Aus meiner Sicht entsteht zumindest eine schiefe Optik durch die Freundschaft zwischen Leitner und Kern", sagte ÖVP-Mediensprecher Blümel gegenüber der APA.

"Aufgewärmte" Vorwürfe nach Kurz-Patzer beim Sommergespräch?

Der ORF hatte die Vorwürfe bereits vehement zurückgewiesen. Die ÖVP versuche die Integrität eines ORF-Spitzenjournalisten zu untergraben und vor einer Sendung Druck auf einen unabhängigen ORF-Moderator aufzubauen, hieß es aus dem Sender.

Die Kritik, dass die ÖVP in der Causa schon seit längerem bekannte Tatsachen aufwärme und erst jetzt - nach dem von Teilen der ÖVP kritisierten "Sommergespräch" mit Sebastian Kurz und vor dem letzten "Sommergespräch" mit Kern - eine wahlkampfbedingte Kampagne gegen Leitner fahre, ließ Blümel an sich abprallen.