Von den von der FPÖ behaupteten illegalen türkisch-österreichischen Doppelstaatsbürgerschaften dürfte nach der Überprüfung durch die Behörden nur ein geringer Teil übrig bleiben. Die Untersuchungen laufen zwar noch. Aber ein Rundruf der APA bei den zuständigen Landesbehörden hat ergeben, dass nur bei einem geringeren Teil überhaupt ein Feststellungsverfahren eingeleitet werden muss.

Nach dem türkischen Verfassungsreferendum im März hatte die FPÖ einen Datenstick mit rund 100.000 Namen von Türken in Österreich an das Innenministerium übermittelt. Anfang August sprach Parteichef Heinz-Christian Strache dann von 20.000 "Scheinstaatsbürgern" - die wegen der Teilnahme an dem Referendum die österreichische Staatsbürgerschaft verlieren müssten. Er forderte auch, diese 20.000 nicht an der Nationalratswahl teilnehmen zu lassen.

Das Innenministerium lehnte dies - gestützt auf ein Gutachten - ab: Das Wahlrecht könne nicht auf Verdacht pauschal aberkannt werden, sondern nur nach entsprechender Feststellung der Staatsbürgerschaftsbehörden. Die FPÖ habe aber die Möglichkeit, in jedem einzelnen Fall Einspruch gegen die Wählerevidenz einzulegen. Darauf hat die FPÖ verzichtet: Im Richtigstellungsverfahren gab es heuer nicht mehr Einsprüche als sonst - und bei den befragten Wahlbehörden war kein einziger Fall eines Einspruches wegen Doppelstaatsbürgerschaft bekannt.

In der Sichtung der - ihnen vom Innenministerium übermittelten - Daten sind die Behörden der verschiedenen Bundesländern teilweise unterschiedlich vorgegangen. So wurden in den meisten Ländern Feststellungsverfahren offenbar nur in wirklich unklaren Fällen eingeleitet - womit sich die Zahl etwa in Wien auf 256 beläuft. Aber der FPÖ-Landesrat in Oberösterreich meldete, dass 4.000 solcher Verfahren nötig wären.

Das Feststellungsverfahren sieht unter anderem die Vorlage von Urkunden aus der Türkei innerhalb einer Frist von sechs Wochen vor. Die Betroffenen haben zudem ein Recht auf Parteiengehör. Danach wird mittels Bescheid entschieden. Gegen den Bescheid besteht das Rechtsmittel der Beschwerde beim Landesverwaltungsgericht.

In Kärnten wurden laut einem Sprecher von Landeshauptmann Peter Kaiser (SPÖ) 84 Feststellungsverfahren eingeleitet. In dem vom Innenministerium übermittelten Datensatz waren 624 in Kärnten wohnhaft.

In Niederösterreich werden 4.000 Fälle sukzessive gesichtet. Bisher seien 100 Personen zur Beischaffung von Beweismitteln aufgefordert worden. Nahezu alle würden um Fristverlängerung ersuchen, weil die Beweise aus der Türkei zu beschaffen seien und dies langwierig sei, hieß es aus der Abteilung Staatsbürgerschaft und Wahlen im Amt der NÖ Landesregierung. In drei Fällen seien bereits Bescheide ergangen, diese seien aber noch nicht rechtskräftig.

Auch aus Oberösterreich wurden 4.000 Verdachtsfälle von österreichisch-türkischen Doppelstaatsbürgerschaften gemeldet - und im Büro von Landesrat Elmar Podgorschek (FPÖ) wurde erläutert, dass zu all diesen Feststellungsverfahren eingeleitet werden müssten. Begonnen wurde bisher mit 50 Verfahren. Wegen der langen Dauer von mehreren Wochen bis Monaten sei mit Ergebnissen vor der Nationalratswahl nicht mehr zu rechnen.

In Salzburg wurden rund 1.600 Personen ausgemacht, die zugleich österreichische wie türkische Staatsbürger sind. Derzeit wird geprüft, ob sie die Doppelstaatsbürgerschaft zu Recht besitzen, sagte Michael Bergmüller, der Leiter des Referats Wahlen und Sicherheit. "Wenn dafür kein Rechtsgrund ersichtlich ist, wird ein Verfahren eingeleitet." Bergmüller geht davon aus, dass sich die Zahl reduzieren wird. Noch seien nicht alle Fälle erschöpfend geprüft, bisher wurden 80 Feststellungsverfahren eingeleitet. Aberkennungsbescheid gab es bisher keinen, erste Entscheidungen sollten demnächst vorliegen. Auch Bergmüller verwies darauf, dass "so ein Verfahren dauert. Im Sommer gibt es häufig Probleme bei der Zustellung der Schreiben, weil Menschen auf Urlaub sind." Um das Arbeitspensum rasch zu erledigen, hat die Abteilung um Verstärkung angesucht.

In der Steiermark müssen 171 Fälle näher überprüft werden. Dem Land wurden 4.188 Personen mit Hauptwohnsitz zugeordnet. 410 davon wurden als Österreicher ausgewiesen. 239 von ihnen haben rechtmäßig die Doppelstaatsbürgerschaft, etwa durch Geburt. Den verbleibenden 171 wurde die österreichische Staatsbürgerschaft verliehen und danach "das Ausscheiden aus dem türkischen Staatsverband" mit Urkunde nachgewiesen. Diese Fälle werden nun in Ermittlungsverfahren so zügig wie möglich überprüft, erläuterte die Leiterin der Abteilung Verfassung und Inneres, Angelika Unger.

In Tirol werden 1.838 Fälle von der Abteilung Staatsbürgerschaft überprüft - denen die österreichische Staatsbürgerschaft verliehen wurde und die das Ausscheiden aus dem türkischen Staatsverband urkundlich nachgewiesen haben. Von den laut dem Datensatz Tirol zugeteilten 10.600 Personen bleiben nach Aussortierung (etwa wenn die Staatsbürgerschaft fälschlich zugeschrieben war) rund 2.900 Fälle über. 1.062 davon waren rechtmäßig Doppelstaatsbürger.

In Vorarlberg ist noch bei 19 Personen die Prüfung im Gange. Ursprünglich war man in der Liste des Innenministeriums auf 287 Namen mit Vorarlberg-Bezug gestoßen. Von diesen waren 140 türkische Staatsbürger, die restlichen 147 Fälle wurden kontrolliert. Übrig blieben 19 Personen mit österreichischem Pass, die nun beweisen müssen, nicht auch im Besitz der türkischen Staatsbürgerschaft zu sein. Der zuständige Landesrat Erich Schwärzler (ÖVP) rechnete mit einer Klärung der offenen Fragen in der nächsten Woche.

In Wien hatte man es mit 18.500 potenziellen Verdachtsfällen von der Liste zu tun. Inzwischen sind 256 Feststellungsverfahren eingeleitet worden, sagte Walter Sedlak, Leiter der zuständigen MA 35. Wie lange es dauert, das gesamte Verzeichnis durchzuarbeiten, sei seriöserweise nicht absehbar. Jedenfalls ist die MA 35 inzwischen um sieben Mitarbeiter aufgestockt worden, weitere 13 werden demnächst ihren Dienst dort beginnen.