Mit knapp 9.000 Stellungnahmen und zahlreicher Kritik ist am Montag die Begutachtungsfrist für das von Justizminister Wolfgang Brandstetter (ÖVP) und Innenminister Wolfgang Sobotka (ÖVP) vorgelegte Sicherheitspaket zu Ende gegangen. Der Verein epicenter.works sieht das Gesetzesvorhaben "durchgefallen". Massive Vorbehalte gibt es auch vonseiten der österreichischen Internet- und Telekom-Betreiber.
Das Sicherheitspaket - Kritiker sprechen von einem Überwachungspaket - sieht unter anderem eine verstärkte Video-Überwachung im öffentlichen Raum und Straßenverkehr, die verstärkte Überwachung von Internet-Kommunikation durch staatliche Spionagesoftware, einen Neuanlauf zur Vorratsdatenspeicherung sowie die Registrierung von Prepaid-Handy-Karten vor. Während Justiz- und Innenminister ihr Paket mit dem Schließen von Sicherheitslücken zur effizienten Terror- und Kriminalitätsbekämpfung begründen, warnen Gegner des Gesetzesvorhabens vor einer Beeinträchtigung der Grundrechte in Österreich.
"Vorbeischwindeln"
Bei epicenter.works zeigte man sich überrascht, was die Bundesregierung über den Sommer an der Bevölkerung "vorbeischwindeln" wollte. "Die konkreten Gesetzesvorschläge gehen weit über das hinaus, was die Koalition in ihrem Arbeitsprogramm Ende Jänner angekündigt hat. Schon die ursprünglich geplanten Punkte wie der Bundestrojaner, die Vollüberwachung auf Österreichs Straßen oder die Vorratsdatenspeicherung bei Videoüberwachung waren aus grundrechtlicher Sicht sehr problematisch. Jetzt haben wir es zusätzlich mit privatisierter Zensur in Form von Netzsperren, mit der Beschränkung des Briefgeheimnisses und mit neuen Überwachungsmethoden wie etwa dem IMSI-Catcher zu tun", erklärte Thomas Lohninger.
Die Verfasser der Gesetzesentwürfe würden mit "unscharfen Begriffen und schwammigen Definitionen" arbeiten. Es sei "unklar, ob damit bewusst Spielräume erweitert werden sollen oder die Problemstellungen einfach 'nur' unzureichend durchdacht wurden", so der Vorwurf. Rechtsschutzvorkehrungen seien in den meisten Bereichen entweder mangelhaft oder fehlten gänzlich, sobald es um die Ausgestaltung von Überwachungstechnologie geht.
Die Internet Service Providers Austria (ISPA) warnen in ihren Stellungnahmen vor verfassungswidrigen "Online-Durchsuchungen" und einer unverhältnismäßigen "Internet-Inhaltsüberwachung". Der geplante Einsatz von Überwachungssoftware durch die Nutzung von Sicherheitslücken untergrabe Cybersicherheitsstandards und das Vertrauen in den österreichischen Wirtschaftsstandort. Das vorgesehene "quick - freeze"-Modell, mit dem Daten auf Vorrat gespeichert werden sollen, entspreche nicht der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs.
Kritik an Registrierung von SIM-Karten
Kritik gibt es auch an der geplanten Registrierung von Prepaid-SIM-Karten. Über fünf Millionen solcher Karten sind derzeit im Umlauf. "Dem Aufwand einer Registrierung steht kein konkreter Nutzen entgegen", monieren die Internet- und Telekom-Anbieter und verweisen auf internationale Beispiele. In Mexiko wurde die Registrierpflicht nach drei Jahren wieder aufgehoben, Großbritannien habe von ähnlichen Plänen wieder Abstand genommen. Kriminelle und Terroristen würden eine Registrierpflicht ohnehin mit falschen Identitäten, gestohlenen Karten oder über WLAN-Hotspots umgehen, die Ermittlungen würden dadurch sogar verlangsamt. Zudem fordern die Internet-Betreiber einen Kostenersatz für den Aufwand der Überwachungsmaßnahmen.
Kritik kommt auch vom Österreichischen Städtebund. Dort hält man den Entwurf zur Änderung des Sicherheitsgesetzes in Bezug auf die Weiterverwendung von Bild- und Tondaten für "grundrechtlich wie datenschutzrechtlich überschießend". Weiters wird in einigen der Stellungnahmen auch darauf hingewiesen, dass mit einer neuen Bestimmung in der Strafprozessordnung das Briefgeheimnis weitgehend aufgehoben würde.
Der Oberste Gerichtshof mahnt im Zusammenhang mit der geplanten geografischen Ortung mit Hilfe eines sogenannten IMSI-Catchers eine "legistische Klarstellung", dass solche Standortbestimmungen nur mit gerichtlicher Bewilligung angeordnet werden können. Kritisch sieht der Oberste Gerichtshof auch die geplante Verwendung von Schadsoftware durch den Staat - Stichwort "Bundestrojaner". Dies sei laut Experten "zum einen de facto kaum machbar und zum anderen mit gravierenden negativen Begleiterscheinungen verbunden". Der Oberste Gerichtshof führt etwa die "Förderung von Internetkriminalität" an. "Diese geplante Neuregelung lässt demnach kaum praktische Bedeutung erwarten", heißt es abschließend in der Stellungnahme des Gerichtshofs.