Das Problem der fehlenden Hausärzte im Land wird zum Wahlkampfthema. Die ÖVP will unbesetzten Kassenstellen den Kampf ansagen, wie einem Entwurf des Wahlprogrammes der Partei zu entnehmen ist. Die Partei rund um Chef Sebastian Kurz fordert darin unter anderem eine faire Bezahlung für die Ärzte und eine finanzielle Abgeltung der Betreuung von Patienten. 

>> Nur zwei Prozent der Medizinstudenten wollen Hausarzt werden

Da in den nächsten zehn Jahren 60 Prozent der knapp 4.000 Allgemeinmediziner mit Kassenvertrag in Pension gehen werden, schlägt die ÖVP vor, schon jetzt konkrete Maßnahmen gegen einen drohenden Ärztemangel zu ergreifen. "Dreh- und Angelpunkt des Systems" solle der Hausarzt sein. Um auch in Zukunft junge Menschen für diesen Beruf zu gewinnen, sollen die Rahmenbedingungen für Hausärzte verbessert werden.

Faire Bezahlung und Landarzt-Stipendien

"Die Bezahlung muss fairer werden und es muss auch die Zeit abgegolten werden, die aufgewendet wird, um den Patienten gut und persönlich zu betreuen. Im Gegenzug muss auch das Service und die Erreichbarkeit von Hausärzten - vor allem im urbanen Raum - durch Kooperationen und Koordination verbessert werden, insbesondere an Tages- und Wochenrandzeiten", heißt es im Entwurf für Kapitel 16 - "medizinische Versorgungssicherheit" - des ÖVP-Wahlprogramms.

Zudem solle es - nach deutschem Vorbild - Stipendien für Landärzte geben. Studierende sollen während ihres Studiums finanziell unterstützt werden, wenn sie sich im Gegenzug dazu verpflichten, nach ihrem Abschluss für eine gewisse Zeit eine Stelle auf dem Land anzunehmen. Zudem sollen Primärversorgungszentren ausgebaut werden.

"Virtual Care Rooms"

Schweden dient der ÖVP als Vorbild für so genannte "Virtual Care Rooms" in entlegenen Gebieten. Das sind Räume, die mit einfachen Testmöglichkeiten und einem Videokonferenz-System ausgestattet sind, in denen aber zunächst kein Arzt anwesend ist. Patienten können in einem ersten Schritt einzelne Tests selbst machen und per Video mit einem Arzt kommunizieren. So ersparen sie sich eine lange Fahrt zum nächsten Arzt oder Spital und sind trotzdem bestens betreut.

Aktuell sind 67 Hausarzt-Ordinationen im Land unbesetzt, in Tirol blieben sie das sogar nach mehrfacher Ausschreibung. Als Grund werden zu geringe Kassenhonorare und unterschiedliche Verrechnungsmodelle angegeben.

Herbe Kritik von FPÖ und Neos

Bei FPÖ und Neos scheinen die Ankündigungen der ÖVP nicht gut anzukommen. Beide Oppositionsparteien erklärten, dass die ÖVP die nun geforderten Änderungen zuvor jahrelang verhindert habe.

Kurz wolle die Österreicher für dumm verkaufen, erklärte FPÖ-Gesundheitssprecherin Dagmar Belakowitsch. Die behauptete Stärkung der Hausärzte sei eine "Mogelpackung". Mit der neuen Primärversorgung werde das bewährte System der Hausärzte scheibchenweise abmoniert. Außerdem hätten ÖVP und SPÖ alle Initiativen der FPÖ im Parlament zur Stärkung des Hausarztes im Keim erstickt. 

Dass der Job des Hausarztes so unattraktiv sei, liege auch in der Verantwortung des ÖVP-Chefs, erklärte NEOS-Gesundheitssprecher Gerald Loacker. Der ÖVP-geführte Hauptverband sei seit Jahren untätig, Reformvorschläge der NEOS zur Verbesserung der Stellung der Hausärzte seien von der ÖVP verhindert worden. Loacker fordert, die 330 Millionen Euro an Zusatzpensionen in den Sozialversicherungen zur Anstellung von 1.300 Hausärzten zu verwenden.