Frau Griss, Sie führen die steirische Liste an und kandidieren auf Platz 2 der Neos-Bundesliste. Was sind die Themen, um die Sie sich besonders kümmern wollen?
IRMGARD GRISS: Die Bildung, der Rechtsstaat und die Verantwortung der Politiker sind mir besonders wichtig.
Wie gefällt Ihnen da das Sicherheitspaket der ÖVP?
GRISS: Ich glaube, dass wir in einer veränderten Welt leben und dass mehr getan werden muss, um die Sicherheit zu garantieren. Aber ich glaube auch, dass da viel politisches Kleingeld gewechselt wird. Man muss auch am Boden bleiben: Hundertprozentige Sicherheit gibt es nicht.
Schießt ÖVP-Innenminister Wolfgang Sobotka über das Ziel hinaus?
GRISS: Verbal auf jeden Fall. Die Umsetzung muss man abwarten. Aber das Thema wird jedenfalls instrumentalisiert.
Was hat Sie letztlich dazu bewogen, die Zusammenarbeit mit den Neos zu suchen, und nicht mit der Liste Sebastian Kurz, der neuen ÖVP?
GRISS: Dass die Neos eine positive Kraft sind in Österreich und für eine vernünftige Politik der Mitte stehen.
Ist die ÖVP eine negative Kraft?
GRISS: Das will ich so nicht sagen, aber ich finde schon, dass es da starke Tendenzen nach rechts gibt: eine starke Instrumentalisierung der Migrations- und Ausländerfrage, der Mindestsicherungsbezieherfrage, überhaupt der Sozialleistungen. Auf dem Klavier wird ganz stark gespielt. Das finde ich nicht gut, weil das die Gesellschaft spaltet. Da entstehen Animositäten, da sucht man Schuldige, die „Sozialschmarotzer“, etc. Natürlich muss etwas getan werden, damit das System nicht ausgenutzt wird. Jeder von uns weiß aber, dass ich die Staatsverschuldung oder die Abgabenquote nicht schon dadurch in den Griff kriege, dass ich die Mindestsicherung kürze oder einem Ausländer weniger auszahle. Da wird bewusst ein Zusammenhang hergestellt und ein Kollateralschaden in Kauf genommen. Aber wir müssten doch miteinander etwas versuchen, eine vernünftige Politik der Mitte. Da sehe ich für mich die größere Gewähr dafür bei den Neos. Die haben in den vergangenen vier Jahren im Parlament jedenfalls bewiesen, dass sie nicht populistisch sind.
Sie haben vorhin von der Verantwortung der Politiker gesprochen. Was meinen Sie konkret?
GRISS: Dass jemand, der ein politisches Amt ausübt, sich vor Entscheidungen die notwendigen Informationen beschafft, diese aufbereitet, Interessenskonflikte vermeidet, wie das Spitzenleute in der Privatwirtschaft auch tun müssen. Politiker sollen gewissenhaft agieren und keine Unwahrheiten verbreiten, das ist eine Mindestanforderung. Immer wieder erzählen mir Leute von Politikern, die es mit der Wahrheit nicht genau nehmen. Die Bürger für dumm zu verkaufen, was ist denn das für eine Einstellung?
Was können Sie da konkret tun im Parlament?
GRISS: Anfragen stellen, die Dinge benennen. Hörbarer, als wenn ich nicht im Parlament sitze. Ich bin bereit, mich einzubringen.
Wie gefällt Ihnen der SPÖ-Slogan „Hol Dir, was Dir zusteht“?
Meine Antwort darauf ist ein anderer Slogan: „Tu, was Du kannst.“
Sie sind also eher bei Kennedy.
GRISS: Genau. Ich glaube, dass man den Menschen sagen muss, dass Probleme nur gelöst werden können, indem jeder in seinem Bereich einen Beitrag leistet. Von oben herunter kann man ja nichts verordnen, so nach dem Muster „Nützt das Sozialsystem nicht aus“ oder „Geht ordentlich miteinander um“ – das kannst Du vergessen.
Wie sonst?
GRISS: Es funktioniert nur, indem man das Bewusstsein der Menschen stärkt, das jeder etwas tun kann, nach dem Motto: „Ich tricks’ Dich nicht aus. Es ist nicht alles erlaubt.“ Die SPÖ appelliert an Instinkte im Menschen, an die man nicht appellieren soll. Das ist wie: „Geiz ist geil.“
Was halten Sie von einer Wertschöpfungsabgabe?
GRISS: Die Maschinensteuer, die Erbschaftssteuer das sind alles nur punktuelle Maßnahmen. Ich muss zuerst einmal überlegen, welche Aufgaben der Staat überhaupt erfüllen soll, dann, was das kostet, und schließlich, wie ich dieses Geld hereinbringen und welche Ziele ich mit Steuern noch erreichen kann.
Welche Aufgaben sollte der Staat nicht (mehr) erfüllen?
GRISS: Ich glaube, dass man die Vorschriften für die Unternehmen durchforsten kann und dass das auch Einsparungen ergibt, für die Unternehmen und in der Verwaltung. Oder nehmen Sie die Pflege: Ist es die Aufgabe des Staates, die Pflege zu finanzieren?
Wer sollte die Pflege sonst finanzieren?
GRISS: Ich bin für eine verpflichtende Pflegeversicherung. Ein solidarisches Modell also, wie bei der Krankenversicherung.
Und wie kann die ausschauen, ohne dass sich die Lohnnebenkosten erhöhen?
GRISS: Indem andere Bestandteile der Lohnnebenkosten sinken. Oder ich manche Ausgaben eben doch wieder über die Steuermittel finanziere.
Beitragsleistungen also sowohl von Seiten der Arbeitgeber als auch der Arbeitnehmer?
GRISS: Ja. Wie die Krankenversicherung. Wichtig ist das Gesamtpaket. Da darf es keine Denkverbote geben.