Nach dem Tod eines 19-jährigen Soldaten bei der Garde in Horn brechen jetzt erstmals zwei Rekruten das Schweigen. Und die Aussagen der beiden zu dem, was in der Garde wirklich vor sich geht, könnten widersprüchlicher nicht sein. Einer, der bis März bei der Garde in Wien war, hat die Zeit dort als quälend erlebt, wie er im Ö1-Morgenjournal berichtete. Der andere ist derzeit in der Grundausbildung in Horn, also fast unmittelbarer Kamerad des Toten. Er sieht keine Verfehlungen der Ausbildner. Beide Männer wollten anonym bleiben.

Unsportliche Rekruten wurden regelrecht geschliffen, sagt ein ehemaliger Rekrut, der vor drei Jahren in Horn ausgebildet wurde: „Die wurden einfach weiter gedrillt von hinten. Die sind irgendwann mal am Ende der Gruppe gestanden und wurden weiter angeschrien, teilweise auch beschimpft, sie sollen weitermachen. Solange man noch Zeit zum Jammern bzw. Luft zum Jammern hat, kann man auch noch weitermarschieren", berichtete er im ORF-Interview. Und das ist nicht ohne Folgen geblieben. „Es sind auch einige Leute zusammengebrochen. Die wurden dann auch versorgt.“

Ermittlungen

Nach dem Tod eines Rekruten der Garde in Horn in der Vorwoche ermittelt die Staatsanwaltschaft Krems wegen des Verdachts der fahrlässigen Tötung und der fahrlässigen Tötung unter besonders gefährlichen Verhältnissen. Derzeit noch gegen unbekannt, sagte die Leiterin der Anklagebehörde, Susanne Waidecker.

Auf fahrlässige Tötung (§ 80 StGB) steht eine Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe bis zu 720 Tagessätzen. Fahrlässige Tötung unter besonders gefährlichen Verhältnissen (§ 81 StGB) wird mit bis zu drei Jahren bestraft.

Der Rekrut war laut dem vorläufigen Obduktionsergebnis an Überhitzung des Körpers gestorben. Vorbehaltlich weiterer Untersuchungen gebe es keinen Hinweis auf eine relevante bakterielle Erkrankung des Grundwehrdieners, hatte Franz Hütter, Sprecher der Staatsanwaltschaft Krems, am Dienstagnachmittag mitgeteilt. Die Überhitzung des Körpers habe zu Herzstillstand geführt. Etwaige Vorerkrankungen des Rekruten werden laut Hütter noch untersucht.

Untersuchungskommission

Ermittelt wird in dem Fall nicht nur seitens der Staatsanwaltschaft. Das Bundesheer hat nach Angaben vom Dienstagabend eine Untersuchungskommission eingesetzt, die von Hans Rathgeb, Präsident des Landesgerichts Salzburg und Brigadier der Miliz, geleitet wird. Dies deshalb, "um größtmögliche Transparenz und Offenheit sicherzustellen", sagte Generalleutnant Franz Reißner, Kommandant der Landstreitkräfte.

Rathgeb nahm am Mittwoch seine Arbeit auf. Der Präsident des Landesgerichtes Salzburg befinde sich bereits in der Kaserne Horn und habe umgehend Kontakt zu den Ermittlungsbehörden und zur Truppe aufgenommen, teilte das Verteidigungsministerium mit. Mit dem im Auftrag der Staatsanwaltschaft Krems tätigen Landeskriminalamt wird laufend enger Kontakt gehalten, vorliegende Informationen und Ermittlungsergebnisse werden demnach ausgetauscht.

Lückenlose Aufklärung

Sein Ziel sei, "eine lückenlose, umfassende und völlig transparente Aufklärung der Umstände, die zum tragischen Tod des Rekruten geführt haben, sicherzustellen", erklärte Rathgeb. Er betonte, dass er "in seiner Tätigkeit vollkommen unabhängig ist".

Wann mit ersten Ermittlungsergebnissen zu rechnen ist, könne Rathgeb zur Zeit noch nicht abschätzen. "An einer raschen und lückenlosen Klärung der Unfallumstände wird aber mit Hochdruck gearbeitet." Seitens des Verteidigungsministeriums und des Bundesheeres werde Rathgeb in seiner Arbeit "umfassend und uneingeschränkt unterstützt".

Eine Sonderkommission soll zudem sämtliche relevanten Ausbildungsvorschriften im Bundesheer überprüfen. Ihr steht Generalleutnant Günter Höfler vor, Leiter der österreichischen Militärvertretung Brüssel.

Das Bundesheer werde alles unternehmen, die Ursachen für den Tod des jungen Soldaten "lückenlos und transparent aufzuklären. Das ist für mich oberstes Gebot", betonte Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil (SPÖ). Rathgeb habe "sämtliches Pouvoir, für vollständige Aufklärung zu sorgen". Vorverurteilungen seien nicht angebracht.

Die parlamentarische Bundesheerkommission begrüßte die getroffenen Maßnahmen nach dem Tod des Rekruten. Die beiden eingesetzten Untersuchungsstellen hätten eine "hohe Glaubwürdigkeit", sagte der amtsführende Vorsitzende Michael Hammer (ÖVP). Selbst wolle man die Öffentlichkeitsarbeit verstärken.

Auch die parlamentarische Bundesheerkommission bedauerte den Vorfall sehr, der nun von zwei eingesetzten Stellen untersucht werden soll. Auch die Besetzung mit Hans Rathgeb stieß auf Zustimmung. Nun gehe es darum, mögliche systemische Fehler in der Ausbildung zu finden und sich zu fragen, ob Märsche bei so hoher Temperaturen überhaupt notwendig seien.

Hammer hofft, dass der Vorfall durch die beiden von Doskozil eingesetzten Untersuchungsinstanzen lückenlos aufgeklärt werden kann. Zwar sei auch die parlamentarische Bundesheerkommission mit dem Fall befasst, allerdings wolle man erst einmal die Ergebnisse abwarten. Wirkliche Untersuchungen werde man nur dann anstellen, sollte auch danach näherer Aufklärungsbedarf bestehen, sagte Hammer. Derzeit gebe es keinen Anlass.

Kritik

Auch Kritik an Methoden in der Grundausbildung, die etwa Angehörige von Grundwehrdienern geäußert hatten, nimmt die parlamentarische Bundesheerkommission laut deren Vorsitzendem ernst. Immerhin sei ja auch Ziel, die Attraktivität des Grundwehrdienstes zu erhöhen. Hammer appellierte an Betroffene, die Möglichkeit der Beschwerde wahrzunehmen, Vertraulichkeit werde zugesichert. Um dies zu forcieren, werde nun auch die Öffentlichkeitsarbeit verstärkt.

Verteidigungsminister Doskozil kündigte nach dem Tod des Rekruten am Mittwochabend auch in der ORF-"ZiB 2" erneut volle Aufklärung und entsprechende Konsequenzen an. Gleichzeitig stellte er sich grundsätzlich hinter die Heeres-Mitarbeiter: Es dürfe nun nicht zu einer "pauschalen Verurteilung" des Heeres kommen, so Doskozil.

Er verwehre sich dagegen, dass das Bundesheer "als Ganzes in ein schiefes Licht gestellt wird", sagte der Verteidigungsminister. Beim Bundesheer gebe es rund 2.000 Ausbildner, einige davon würden Fehlleistungen erbringen, dagegen müsse man klar eintreten, sagte Doskozil, der von einem "sehr tragischen Fall" sprach.

Man müsse sich nun die internen Ausbildungsvorschriften genau ansehen und mögliche Interpretationsspielräume gegebenenfalls genauer definieren. Dazu seien ja auch die beiden Untersuchungskommissionen eingesetzt worden. Seiner Meinung nach wird es wohl nicht notwendig gewesen sein, den Marsch zu diesem Zeitpunkt - bei großer Hitze - abzuhalten, sagte er auf eine entsprechende Frage.

Auch Berichte, wonach bei einem Marsch am Vortag mehr als 20 Rekruten ohnmächtig geworden seien, seien bereits an die Kommission weitergegeben worden, sagte der Minister. Er verlasse sich auf die unabhängige Beurteilung der eingerichteten Stelle.