Herr Zinkl, ÖVP-Chef Sebastian Kurz bekräftigte einmal mehr seine Forderung nach härten Strafen für Gewaltdelikte, die aktuelle Gesetzgebung erscheine ihm „nicht zu 100 Prozent gerecht“. Können Sie das nachvollziehen?
Werner Zinkl: Im vergangenen Jahr hat es eine Strafrechtsreform gegeben, mit der genau das umgesetzt wurde, was der Herr Außenminister jetzt fordert. Strafandrohungen für Delikte gegen Leib und Leben wurden teilweise sogar verdoppelt. Früher hatten manche das Gefühl, dass diese Delikte zu milde bestraft werden. Die Reform lieferte also eine Anpassung, die mit viel Verständnis für die Sorgen der Bevölkerung vorgenommen wurde. Daher kann ich diese Forderung nicht nachvollziehen und auch nicht, dass man das Strafrecht nach nur einem Jahr schon wieder angreifen will.

Könnten höhere Strafen nicht der Prävention dienen, also
abschreckend wirken?
Mit höheren Strafe erreiche ich gar nichts. Denn gerade bei Körperverletzungsdelikten befinden sich die Täter in einem emotionalen Ausnahmezustand. Ein Beispiel dafür sind Menschen, die im Rausch aggressiv werden und jemanden verletzen. Ein Betrunkener denkt in diesem Moment nicht an eine Strafdrohung. Bei Finanz- und Betrugsdelikten ist das etwas anderes. Dabei wird etwas von langer Hand und vorsätzlich geplant, man ist vorsichtig. Der durchschnittliche Gewalttäter ist nicht vorsichtig, dem entgleitet die Situation.

Welche Maßnahmen könnten die Zahl der Gewaltdelikte dann reduzieren?
Die meisten dieser Delikte spielen sich innerhalb der Familie ab. Deshalb wäre Anti-Gewalt-Training wichtig. Damit könnte man schon nach der ersten Straftat ansetzen, um weitere zu verhindern. Denn die geschlagenen Frauen und Kinder sind in einem Dilemma - sie wollen den Mann oft nicht ins Gefängnis bringen, weil er dann seinen Job und die Familie ein Einkommen verlieren würde. Und höhere Strafen senken das Aggressionspotential nicht, ein Anti-Gewalt-Training schon. Richter können ein solches bereits jetzt anordnen. Das Problem ist aber, dass das Training viel Geld kostet und es sich die meisten nicht leisten können. Man könnte also darüber nachdenken, hier zu investieren.

Es dürfte Steuerzahler geben, die mit dieser Idee wenig anfangen können.
Das kann ich mir vorstellen, aber im Gefängnis kostet uns der Straftäter um ein Vielfaches mehr.

Justizminister Wolfgang Brandstetter will die Reform nun evaluieren. Eine gute Idee?
Evaluierung ist wichtig, ich glaube aber, man muss der Reform schlicht mehr Zeit geben. Und nur, weil wir uns aktuell in Vorwahlzeiten befinden, sollte ein so sensibles Thema nicht in den Wahlkampf gezogen werden.