Die Neuwahl-Forderung von Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP) sorgt für Unsicherheit in der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE), die nun innerhalb von kürzester Zeit ihren Vorsitzenden verlieren könnte. Bei einer OSZE-Veranstaltung im Wiener Palais Liechtenstein reagierten von der APA befragte OSZE-Diplomaten am Freitagvormittag fassungslos auf die Ankündigung von Kurz.
Die anwesenden Vertreter des österreichischen OSZE-Vorsitzes wollten gegenüber der APA keine Stellungnahme abgeben. OSZE-Diplomaten wiesen aber darauf hin, dass die Vorsitzfunktion an die Person des Außenministers gebunden ist. Er könne nicht so einfach durch einen Spitzendiplomaten ersetzt werden.
Kurz hatte sich in seiner Medienerklärung am Freitagvormittag nicht zu seiner weiteren Tätigkeit als Außenminister geäußert. Medienberichten zufolge will Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) den ÖVP-Ministern den Sessel vor die Tür stellen, wenn die Volkspartei einen Neuwahlantrag stellt. Die Entscheidung über die Entlassung von Ministern trifft freilich Bundespräsident Alexander Van der Bellen, der Kerns vermeintliche Pläne vereiteln könnte - möglicherweise auch unter Verweis auf die internationalen Verpflichtungen des Außenministers.
Die österreichische Regierungskrise kommt für die OSZE auch deshalb zu einem heiklen Zeitpunkt, weil sie derzeit intensiv nach einem neuen Generalsekretär sucht. Der italienische Diplomat Lamberto Zannier, der bei der Veranstaltung am Freitag eine Bilanz seiner sechsjährigen Tätigkeit zog, scheidet nämlich Ende Juli aus dem Amt.
Der österreichische Außenminister ist noch bis Jahresende amtierender Vorsitzender ("chairperson in office") der OSZE. Kurz hatte zu Beginn des Vorsitzjahres im Jänner große Aktivität gezeigt und sorgte unter anderem mit einem Besuch an der Frontlinie im Ukraine-Krieg für Schlagzeilen. Als Prioritäten des OSZE-Vorsitzes nannte er die Deeskalation in bestehenden Konflikten, die Stärkung des Vertrauens zwischen dem Westen und Russland sowie den Kampf gegen Radikalisierung.
Die globale Großwetterlage war dem OSZE-Vorsitzenden wenig gewogen, da das von vielen Beobachtern erhoffte Tauwetter zwischen Moskau und Washington nach dem Amtsantritt von US-Präsident Donald Trump nicht eintrat. Trumps Administration verschärfte sogar die Tonart gegenüber Moskau und zementierte die wegen der Krim-Annexion verhängten Sanktionen ein.
Russland setzte dagegen Schritte zur Anerkennung der pro-russischen Separatisten in der Ostukraine. Die Feindseligkeiten in der Ostukraine nahmen zu, und am 23. April musste der OSZE-Vorsitzende den ersten Todesfall bei der vor drei Jahren begonnenen OSZE-Beobachtungsmission in der Ukraine verkünden. Ein US-Beobachter wurde getötet, als sein Fahrzeug im Separatistengebiet auf eine Mine auffuhr.
OSZE-Diplomaten äußerten sich gegenüber der APA lobend über die bisherige österreichische Vorsitzführung. Als größter Erfolg wird die Verlängerung und Festigung der OSZE-Beobachtungsmission in der Ostukraine gewertet. Mit über 1000 Mitarbeitern ist es die größte OSZE-Mission, sie kostet fast so viel wie die gesamte restliche Organisation zusammen. Zum OSZE-Budget für heuer haben die 57 Mitgliedsstaaten, die alle Entscheidungen im Konsens treffen, bisher noch keine Einigung erzielen können.