Am Freitag ging es Schlag auf Schlag: VP-Außenminister Sebastian Kurz erhöhte die Schlagzahl, indem er Bedingungen dafür nannte, dass er die Partei übernimmt: Baldige Neuwahlen und volle Handlungsfreiheit in Bezug auf Inhalte und Personal.
SPÖ-Kanzler Christian Kern legte nach: Neuwahlen? Sicher nicht. Zumindest nicht so lange, wie er eine Mehrheit für Neuwahlen im Parlament verhindern kann.
Parallel dazu ritterten die beiden Kontrahenten um publikumswirksame TV-Auftritte. Das Journal zu Gast, die Pressestunde - wer darf wo? Der Kompromiss: Erstmals sind bei "Journal zu Gast" am Samstag im Radio gleich zwei Politiker geladen, Kanzler Christian Kern und Kurz-Vertrauter Staatssekretär Harald Mahrer.
Für den Sonntag verschaffte sich die Volkspartei auf den letzten Metern noch einen Vorsrpung, indem sie ihren Bundesparteivorstand vorverlegte. Statt um 18 Uhr wird jetzt um 16 Uhr begonnen. Und auch de Ort ist neu: Statt in der Politischen Akademie geht es jetzt in der Parteizentrale in der Lichtenfelsgasse zur Sache. Bis zur ZiB 1 um 19.30 Uhr hat man dann hoffentlich Nägel mit Köpfen gemacht, um im Fernsehen die neue Lichtgestalt zu präsentieren. Gast am Vormittag, in der ORF-"Pressestunde", ist Kern.
Wann wird gewählt?
Die Österreicher könnten schon bald wieder an die Wahlurnen gerufen werden. Nachdem Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP) am Vormittag Neuwahlen zu einer Bedingungen erklärt hatte, unter denen er den ÖVP-Vorsitz übernehmen würde, sprach sich auch die FPÖ dafür aus: "Neuwahlen sind die sauberste Lösung zur Beendigung der unzumutbaren Dauerbaustelle namens Bundesregierung", so Generalsekretär Herbert Kickl in einer Aussendung. An der FPÖ würden Neuwahlen „daher auch sicher nicht scheitern“.
Die SPÖ mit Bundeskanzler Christian Kern hat andere Pläne. Wie Verkehrsminister Jörg Leichtfried gegenüber der Kleinen Zeitung erklärte, will Kern nach der Neuwahlansage der ÖVP mit wechselnden Mehrheiten weitgerregieren - zumindest so lange, bis sich im Parlament eine Mehrheit für Neuwahlen ausspricht und damit endgültig Neuwahlen erzwingt. De facto wäre das eine Minderheitsregierung mit Ablaufdatum.
Gegenüber der Tageszeitung "Die Presse" zeigte sich Kern indes sehr verärgert: "Wenn uns die ÖVP den Stuhl vor die Tür stellt, bedeutet das auch das Ende der rot-schwarzen Zusammenarbeit für sehr lange Zeit."
Die SPÖ attackierte Kurz aus vollen Rohren und kritisierte die Neuwahlforderung. "Kurz hat klar gemacht und aufgedeckt, warum die letzten Monate permanent blockiert worden ist. Es ist einfach nur darum gegangen, mutwillig Neuwahlen vom Zaun zu brechen", sagte SPÖ-Klubobmann Andreas Schieder.
Leichtfried sieht durch Kurz' Neuwahlansage den Wirtschaftsaufschwung sowie den positiven Trend am Arbeitsmarkt gefährdet. "Wir haben den Aufschwung eingeleitet. Jetzt wäre es an der Zeit, ihn zu pflegen. Aber Sebastian Kurz stellt Eigeninteresse und Machtgelüste vor die Interessen der Republik. Sein Ego-Trip schadet dem Land", meinte Leichtfried.
Ähnlich äußerte sich der steirische Landeshauptmann-Stellvertreter Michael Schickhofer: "Die taktischen Spielchen des Trio infernale, bestehend aus Lopatka, Sobotka und Kurz erreichen nun ihren Höhepunkt", so Schickhofer. Dass Kurz das Angebot des Kanzlers zur Zukunftspartnerschaft ausschlage, sei der nächste Zug in einem Spiel am Rücken der Menschen.
"Kurz blamiert Österreich in der OSZE"
Scharfe Kritik kommt indes auch von der Präsidentin der Parlamentarischen Versammlung der OSZE und außenpolitische Sprecherin der SPÖ, Christine Muttonen. Das Vorgehen des aktuellen OSZE-Vorsitzenden, Außenminister Kurz, sei "völlig unverantwortlich auch in Hinblick auf das außenpolitische Ansehen Österreichs", erklärte Muttonen in einer Aussendung. Seine Neuwahl-Ansage habe in der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) für "Fassungslosigkeit" gesorgt. "Als finde ich es besonders besorgniserregend, dass hier Einzelinteressen über die Sicherung von Frieden und Stabilität in Europa gestellt werden", meinte die SPÖ-Außenpolitikerin.
Nach langem Schweigen in der ÖVP-Obmanndebatte war Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP) am Freitag an die Öffentlichkeit getreten - um den parteiinternen Druck zu erhöhen. Er zeigte sich unter zwei Bedingungen zur Übernahme des Parteivorsitzes bereit: eine vorgezogene Neuwahl und so viel Macht über die Landesorganisationen und Bünde seiner Partei, wie sie vor ihm noch kein ÖVP-Chef hatte. Die Entscheidung, in welche Richtung ein Land sich bewegt, solle von den Wählern getroffen werden, so Kurz. "Ich glaube, vorgezogene Wahlen sind der richtige Weg", so der Außenminister.
Für kurzen Wahlkampf
Wie es in der ÖVP weiter geht, ließ Sebastian Kurz vorerst offen: Das hänge davon ab, ob seine Vorstellungen "mitgetragen werden", sagte der 30-Jährige. Kurz: "Ein ÖVP-Chef muss die inhaltliche Richtung vorgeben und Personalentscheidungen treffen können". So wie bisher dürfe es jedenfalls nicht weitergehen. Eine Entscheidung soll es am Sonntag geben, wenn die Parteigremien tagen. Sollte er ÖVP-Obmann werden, wolle Kurz trotzdem noch einige Vorhaben mit der SPÖ umsetzen, hieß es aus Kurz' Umfeld gegenüber der APA. Der Wahlkampf solle dann kurz und fair im September stattfinden.
Erste Auswirkungen hat das nun mögliche Neuwahl-Szenario bereits. Das Schulautonomiepaket der Regierung lieg vorerst auf Eis. Zwar habe es deutliche Fortschritte in den Verhandlungen zwischen Bildungsministerium und Gewerkschaft gegeben, man wolle jedoch die politischen Entwicklungen der nächsten Tage abwarten. Bildungsministerin Sonja Hammerschmid (SPÖ) wiederholte ihren Appell an Kurz: "Wir haben jetzt ein wirklich gutes Lösungsmodell am Tisch", betonte sie. "Wir müssen diese dringend nötige Reform durchziehen.
Das komplette Statement von Sebastian Kurz
Kurz erklärte weiters, er glaube jedem österreichischen Politiker, auch Kern und FPÖ-Obmann Heinz-Christian Strache, dass er das Land weiterentwickeln will. Er gab jedoch zu bedenken, dass die letzten, die in Österreich gewählt worden seien, der frühere Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) und sein Vize Michael Spindelegger (ÖVP) waren: "Danach gab es nur noch Parteientscheidungen, nicht mehr Wahlentscheidungen."
Es sei ihm "bewusst", dass es viele, auch in der ÖVP, anders sehen werden. Auch SPÖ-Chef Christian Kern könnte es anders sehen und vielleicht sogar eine Minderheitsregierung versuchen. Bewusst sei ihm auch, dass Neuwahlen "nicht sonderlich populär" sind und keiner die Schuld dafür tragen möchte.
Für Schützenhöfer steht Kurz als Chef fest
Grüne wollen Antrag nicht vor Ende Juni zustimmen
Die Grünen rechnen zwar mit Neuwahlen, einem entsprechenden Antrag wollen sie aber nicht vor Ende Juni zustimmen, weil der Eurofighter-Untersuchungsausschuss in diesem Fall seine Arbeit einstellen müsste: "Für den Eurofighter-Untersuchungsausschuss ist der Termin eines Neuwahlbeschlusses zentral. Ab diesem Zeitpunkt können keine Zeugen mehr befragt werden." Auf Kurz' Auftritt reagierte Parteichefin Eva Glawischnig mit Unverständnis: "Kurz weiß zwar noch nicht, ob er Verantwortung übernehmen und ÖVP-Chef werden will, rasche Neuwahlen sind für ihn aber ein Muss."
Wer das Statement von Kurz und die im Raum stehenden Neuwahlen bisher nicht kommentieren wollte, ist Bundespräsident Alexander Van der Bellen. Bei einem Termin in einer Wiener Schule wollte er sich - darauf angesprochen - nicht äußern.
"Ein Befreiungsschlag"
Schwarze Landeshauptleute voll hinter Kurz - Rote Landeshauptleute empört
Die schwarzen Landeshauptleute, die in den vergangenen zwei Tagen in Alpbach konferierten, scheinen die Kurz-Bedingungen erfüllen zu wollen: Der steirische Landeshauptmann Hermann Schützenhöfer sagte, Kurz werde "alle Freiheiten haben, um ein guter Parteichef zu sein". Niederösterreichs Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner bestätigte dies - und würde sogar theorethisch eine Bundesregierung ohne Niederösterreicher dulden, behauptet sie: "Es geht nicht um die Herkunft, es geht um die besten Köpfe", sagte sie im Rahmen der LH-Konferenz.
Für Schützenhöfer steht Kurz jedenfalls als neuer ÖVP-Obmann fest. Gleichzeitig schloss er sich dem Wunsch des Außenministers nach Neuwahlen an und sprach von einem "Befreiungsschlag". Auch die ÖVP Burgenland hat am Freitag ihre volle Unterstützung für Außenminister Sebastian Kurz bekräftigt. Kurz sei der "richtige Mann für Österreich", meinte Landesparteiobmann Thomas Steiner.
Die SPÖ spricht sich indes immer noch gegen Neuwahlen aus: SPÖ-Bundesgeschäftsführer Georg Niedermühlbichler attackierte den Koalitionspartner ÖVP. Noch vor der Erklärung von Kurz warf der Partei-Manager der ÖVP schandhaftes Verhalten vor. "Das Ausschlagen des Angebots, für Österreich und seine Menschen in einer Reformpartnerschaft zu arbeiten, zeigt den Charakter der aktuellen ÖVP-Führung", sagte Niedermühlbichler.
Zuvor hatte auch Burgenlands Landeshauptmann Hans Niessl (SPÖ) den Außenminister attackiert: Im Rahmen der Landeshaupteute-Konferenz sagte er zur "Kleinen Zeitung", dass "sich Kurz sicher wieder vor der Verantwortung drücken und im Hintergrund agieren wird". Das habe er ja bis jetzt immer getan, so Niessl. Der SPÖ-Politiker wirft Kurz und der ÖVP nun vor, mit Neuwahlplänen "den Eurofighter-U-Ausschuss abdrehen zu wollen". Und wenn es gemäß aller Erwartungen im Herbst zu Neuwahlen kommt? "Vor Wahlen habe ich mich in meinem Leben noch nie gefürchtet", tönt Niessl. Auch Kärntens Landeshauptmann Peter Kaiser (SPÖ) erklärte, dass er "kein Interesse an Neuwahlen" habe. Wiens Bürgermeister Michael Häupl allerdings rechnet dennoch mit Neuwahlen: "Wenn die ÖVP nicht will, ist das halt so. Aber es wird einen Tag nach der Wahl geben". Von einer Minderheitsregierung der SPÖ, wie Kanzler Christian Kern sie angeblich gerade andenkt, halten die roten Landeschefs übrigens wenig, wie sie im Rahmen der LH-Konferenz erklärten.