Zweimal schon wurde die derzeit amtierende SPÖ-ÖVP-Koalition quasi am offenen Herzen operiert. Das erste Mal vor exakt einem Jahr, als in der SPÖ der glücklose Werner Faymann als Vorsitzender und somit auch als Bundeskanzler abgelöst wurde.

Das zweite Mal, als zu Beginn des heurigen Jahres Kanzler Christian Kern seinen "Plan A" verhieß und den im Regen stehen gelassenen Regierungspartner zwang, auf ein Regierungsprogramm Neu einzuschwenken.

Ein drittes Mal soll jetzt die Wiederauferstehung gelingen, nachdem die ÖVP ihren Chef Reinhold Mitterlehner verlor, der zum Teil von den eigenen Leuten, zum Teil durch die fortgesetzten Sticheleien der SPÖ schachmatt gesetzt wurde.

Es ist bezeichnend, dass sowohl vor einem Jahr als auch jetzt  die "steirische Reformpartnerschaft" als Weg aus der Krise in die Runde geworfen wurde. Was übrigens auch Mitterlehner-Vorgänger Michael Spindelegger schon versucht hatte, in der letzten Phase des Duetts mit Faymann.

In allen Fällen zeugte der Versuch, mit dem Wort, das SPÖ und ÖVP in der Steiermark so erfolgreich so positiv besetzen konnten, neuen Wind zu erzeugen, von einem grundlegenden Missverständnis,  denn: Die Mutterparteien im Bund haben dieses Wort praktisch in ihre Kampfthetorik aufgenommen.

Wenn immer die "Reformpartnerschaft" in Wien strapaziert wurde, um den "Partner" daran zu hindern, davonzulaufen, ging es nicht darum, einen wirklichen Neuanfang zu proben, sondern den jeweils anderen dadurch lahmzulegen, dass man ihn erbarmungslos zu Tode umarmt.

Als Kern noch neu war, bot Mitterlehner ihm den gemeinsamen Neuanfang an. In der Ahnung davon, dass baldige Neuwahlen dem noch unverbrauchten Strahlemann mehr nützen könnten als dem damals schon strauchelnden Frontmann der ÖVP.

Jetzt, da sich Sebastian Kurz anschickt, das Ruder zu übernehmen, strapaziert Kern die Reformpartnerschaft, beflügelt davon, dass Wahlen zum jetzigen Zeitpunkt eher dem Jungstar nützen würden als ihm.

Echte "Reformpartnerschaft" - siehe Steiermark - sieht anders aus: Voraussetzung ist der unbedingte Wille, eigene Interessen hintanzustellen, um dem Gemeinwohl zu dienen. Mit aller Konsequenz und auf der Basis rückhaltlosen Vertrauens. Es funktioniert nur, wenn die Chefs am selben Strang ziehen. Und wenn man auch dessen gewissen sein kann, nach der nächsten Wahl nicht dumm zu sterben, selbst wenn man als Zweiter ins Ziel geht.

Eigentlich ein Ding der Unmöglichkeit in der Politik, aber vorgelebt in der Steiermark in den Jahren 2010 bis 2015. Auch in der grünen Mark ist die Regierungspartnerschaft heute nicht mehr zu vergleichen mit dem Projekt von einst. Die Erkenntnis, die Steiermark Seite an Seite in den Abgrund gewirtschaftet zu haben, band Franz Voves und Hermann Schützenhöfer damals aneinander. Der Zweite nahm dem Ersten einen Gutteil der Verantwortung ab, trotz aller Zweifel, ob es ihm die Wähler danken würden. Der Erste überließ dem Zweiten Ruhm und Ehre - und, wie sich zeigen sollte, in der darauffolgenden Periode sogar ohne Not den Stuhl des Landeshauptmannes.

Zumindest auf Dauer ist eine solche Selbstaufgabe tatsächlich unmöglich in der Politik. Nach außen hin gibt es die steirische Reformpartnerschaft noch immer. Nach innen hin belauert man einander mit dem alten Mißtrauen in Hinblick auf die nächste Wahl. Die SPÖ hat es ihrem Chef nicht verziehen, dass er die Position des Ersten hergab und ringt seither um ihre Selbstfindung. Die ÖVP würde es nicht verwinden, könnte sie im Jahr 2020 der SPÖ nicht endgültig den Rang als stärkste Partei streitig machen und ordnet dem alles andere unter.

In Wien war man einander noch nie so nahe, dass eine solche Partnerschaft überhaupt denkbar gewesen wäre. Im Gegenteil: Die Herzlichkeit, mit der man einander Unfreundlichkeiten ausrichtet, und die Konseqenz darin, einander am einen Tag unverbrüchliche Treue zu geloben und am nächsten schon das Haxel zu stellen,  sind lebendiger Beweis dafür, dass es mit SPÖ und ÖVP einfach nicht mehr geht.

Jeder Tag, den sich die beiden zueinander zwingen, ist eine Qual für dieses Land und seine Bewohner. Und nicht einmal für den Tag nach der Wahl ist es aus derzeitiger Sicht wahrscheinlich, dass Kern und Kurz zueinander finden, denn einer wird verlieren. Und die Erwartung, dass sie sich auch als gute Verlierer beweisen können, ist bei beiden endenwollend.

Das einzige, was Kern und Kurz zueinander führen könnte, ist der gemeinsame Feind, Heinz-Christian Strache. Die Zuspitzung auf dein Duell der beiden Neuen an der Spitze von SPÖ und ÖVP könnte ihn ins Abseits stellen und die beiden anderen zueinanderführen.

Die bisherigen Parteichefs im Bund innerhalb der großen Koalition  sind auch daran gescheitert, dass sie selbst zu schwach und ihre Gefolgsleute zu stark waren in ihrer Abwehrhaltung gegenüber den Repräsentanten der "Partner"-Partei. Im Moment üben sich beide Parteien darin, diese Ressentiments noch nach Kräften zu verstärken.

Man möge sich endlich zur Wahrheit bekennen und einen Weg aus dem selbstgewählten Gefängnis finden. Und sei es, dass man eine höhere Instanz anruft und einen Dritten, Bundespräsident Alexander Van der Bellen, bittet, die Lage zu sondieren und Neuwahlen als einzige Alternative zu verkünden.