Welche Zugeständnisse Sebastian Kurz der ÖVP noch abringen möchte, ist nicht ganz klar - dass einem neuen Obmann "freie Hand" zugesichert wird, gehört aber zur schwarzen Folklore. So war es bei Josef Pröll, bei Michael Spindelegger und auch bei Reinhold Mitterlehner. Die Praxis sieht freilich anders aus. Der Politikwissenschafter und VP-Kenner Fritz Plasser spricht denn auch von einer "Leerformel".
Offiziell hat sich Kurz bisher nicht dazu geäußert, welche Durchgriffsrechte er gerne hätte. Kolportiert werden Durchgriffsrechte in Personalfragen bis hin zum Umbau der Partei in eine breite Wählerbewegung. Bereitschaft zur Änderung der Parteistatuten haben die Landesparteien bisher aber nicht gezeigt. Und dass einem neuen Parteichef zumindest offiziell "freie Hand" in Personalfragen gegeben wird, wäre nichts Neues.
Generationswechsel
Eine personelle Neuaufstellung der Partei wäre nach Ansicht des Politologen und ÖVP-Kenners Fritz Plasser aber nötig. "Ein Generationswechsel, wie er möglich ist, falls Sebastian Kurz die Partei übernimmt, kann sich nicht auf eine Person beziehen. Das wäre bizarr", sagt Plasser gegenüber der APA. Eine Reform der Parteistatuten brauche man dafür aber nicht. "Die Machtarithmetik steht nicht in den Statuten", sagt Plasser. Und wer die Bünde abschaffen wolle, könne gleich eine neue Partei gründen. Die ÖVP müsste aber trotzdem "mit innerparteilichen Machttraditionen brechen" und das bedeute "schmerzhafte Veränderungen für Länder und Bünde".
Begehrlichkeiten
In der Praxis müssen ÖVP-Chefs bei ihren Personalentscheidungen nämlich die Begehrlichkeiten von Bünden und Landesparteien genau austarieren. Und wer sich nicht von vornherein an die innerparteiliche Machtlogik hält, riskiert öffentlich vorgeführt zu werden. Wie etwa Michael Spindelegger: Er wollte 2013 Karlheinz Töchterle als Wissenschaftsminister absetzen. Weil damit kein Tiroler mehr in der Regierung gewesen wäre, stieg Landeshauptmann Günther Platter im Parteivorstand auf die Barrikaden und setzte seinen Landsmann Andrä Rupprechter als Landwirtschaftsminister durch. Spindelegger hätte eigentlich einen Kärntner Minister im Auge gehabt und musste sich nachher von Platter öffentlich einen "Affront" gegen die West-Länder vorhalten lassen.
Machtdemonstrationen
Dass der Parteivorstand Spindelegger eigentlich freie Hand in Personalfragen gegeben hatte, half dem VP-Chef nichts. Ebensowenig wie seinem Nachfolger Reinhold Mitterlehner: Auch bei seiner Kür hieß es, der Obmann habe vom Parteivorstand freie Hand in Personalfragen erhalten. Trotzdem bekam Mitterlehner dann mitten im Bundespräsidentschaftswahlkampf 2016 Wolfgang Sobotka als neuen Innenminister vorgesetzt, weil Erwin Pröll seine Nachfolgerin Johanna Mikl-Leitner zurück nach Niederösterreich holen wollte.
Plasser betont denn auch, dass solche Beteuerungen dem Praxistest nicht standhalten. "Ich halte das für eine Floskel, für eine Leerformel." Den Parteieliten müsse aber klar werden, "wenn sie sich dem Erneuerungskurs verweigern, werden sie politisch abgeurteilt".