Kanzler Christian Kern glaubt nicht, dass die derzeit fehlende Geschlossenheit in der Wiener Landespartei für die SPÖ ein Problem bei der nächsten Nationalratswahl wird: "Ich sehe das ohne große Sorge", sagte der rote Bundesparteivorsitzende am Montag. Gleichzeitig mahnte Kern aber Zusammenhalt ein und zeigte sich auch zuversichtlich, dass dies nach dem Landesparteitag gelingt.
Die Wiener Parteispitze war am Samstag beim Landesparteitag regelrecht abgestraft worden, der seit Monaten schwelende Konflikt in der wichtigsten roten Landesorganisation droht also auch zur Belastung der Bundespartei bei einer Nationalratswahl zu werden. Kern reagierte am Rande der Maikundgebung am Montag betont gelassen: "Das eine ist Wahltaktik - da meine ich, dass das Problem sehr überschaubar ist", immerhin habe man "sehr gute Umfragewerte", meinte er. "Ich sehe das ohne Sorge."
Kanzler Kern rief am 1. Mai zu Geschlossenheit auf
Ganz glücklich ist der Kanzler freilich nicht: "Auf der anderen Seite geht es aber natürlich schon darum, dass wir hier gemeinsame Projekte und Ziele vor uns haben in der Stadt und da müssen wir natürlich gemeinsam und einig auftreten."
"Keine großen ideologischen Konflikte"
Kern glaubt aber, dass sich die Wogen nun rasch wieder glätten: "Ich bin optimistisch, dass jetzt, nachdem der Parteitag vorbei ist, alle wieder zurückkehren und alle wieder gemeinsam in eine Richtung rudern werden." Er sehe "keine großen ideologischen Konflikte", er glaube, es gebe Punkte, die man auch ausräumen könne. Man werde jetzt "in Ruhe versuchen, weiter zu arbeiten und die Weichen zu stellen".
Auf die Frage zur Nachfolge von Bürgermeister Michael Häupl wollte sich Kern nicht einlassen: Es gebe eine Reihe von Projekten und der Bürgermeister habe angekündigt, bis zur nächsten Nationalratswahl zu bleiben, bekräftigte Kern - "insofern wird man alles andere hinter verschlossenen Türen in aller Ruhe besprechen".
Nationalratspräsidentin Doris Bures - sie erhielt als Vorstandsmitglied am Landesparteitag 75,3 Prozent - versuchte am Montag ebenfalls zu kalmieren: Es sei klar gewesen, dass der Parteitag ein außergewöhnlicher sei, weil Häupl zum letzten Mal kandidierte. "Veränderung führt oft zu Verunsicherung." Nun müsse man "nach vorne blicken", meinte Bures.
Keine Pfiffe am Rathausplatz
Die Premiere des neuen Kanzlers fiel deutlich freundlicher aus als der finale Auftritt von Vorgänger Werner Faymann, der im Vorjahr ausgebuht worden war. Die Abordnung aus Ottakring hatte sogar Palmwedel mitgebracht - nachdem Kern in einem Interview vor einigen Tagen erklärt hatte, dass er mit solchen am Rathausplatz eher nicht rechne. Lediglich Jugendvertreter übten, wie schon beim Parteitag, Kritik an seiner Politik. Pfeifkonzert, wie es sich Ex-Kanzlers Werner Faymann vor einem Jahr anhören musste, gab es heuer keines - die SPÖ scheint vorerst für Ruhe gesorgt zu haben. Auch Bürgermeister Michael Häupl, beim Parteitag am Samstag noch abgestraft, wurde demonstrativ lange beklatscht.
Den obligatorischen Jugendprotest gab es dennoch: Auf ein Transparent der Sozialistischen Jugend - mit der Aufschrift "Rote Schale, schwarzer Kern" - ging der Angesprochene auch in seiner Rede ein. Er diskutiere gerne über den Kern seiner Politik, versicherte er - wobei eine Einladung ins Kanzleramt folgte sowie die Beteuerung: "Bei uns wird niemand ausgeschlossen, auch keine freche Jugendorganisation."
Rote Klassiker
Kern zeigte sich von seinem ersten Antreten am Rathausplatz trotz allem beeindruckt: "Ich bin unglaublich stolz, das erste Mal auf dieser Tribüne als Vorsitzender zu euch sprechen zu dürfen." Den Teilnehmern - die Abordnungen aus den Bezirken waren im Sternmarsch zum Rathaus gezogen - versicherte er: "Ihr schaut's wirklich großartig aus."
"Wir haben diesen 1. Mai in besseren Tagen und in schlechteren Tagen gefeiert", erinnerte er an die mehr als hundertjährige Geschichte der Veranstaltung. Als Sozialdemokratie sei man immer dann erfolgreich gewesen, wenn man verstanden habe, dass man den Wandel nicht verhindern könne - sondern dass man sich an dessen Spitze stellen und dafür sorgen müsse, dass dabei "niemand unter die Räder kommt".
"Wenn wir relevant bleiben wollen, wenn wir das Leben der Menschen berühren wollen, dann werden wir nach vorne denken müssen", hielt Kern fest. Er warnte unter anderem davor, dass prekäre Beschäftigungsverhältnisse zur Norm würden. Auch die Anhebung des Mindestlohns wurde als vordringliches Ziel genannt. Gleichzeitig müssten Ältere die Chance erhalten, wieder in den Arbeitsmarkt zurückkehren zu können. Der Kanzler versprach zudem Maßnahmen, um die "Steuervermeidung" großer Konzerne zu beenden.