Der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan plant nach eigenen Angaben einen baldigen Auftritt in Europa - und zwar noch bevor Mitte April in seiner Heimat über das umstrittene Präsidialsystem abgestimmt wird. Details nannte er in einem am Mittwochabend live ausgestrahlten Interview im staatlichen Sender TRT nicht.

Erdogan appellierte an die Millionen im Ausland lebende Türken, wählen zu gehen - egal, welche "Hindernisse" es gebe.

Die Beziehungen zwischen Deutschland und der Türkei sind unter anderem wegen der Absage von Auftritten türkischer Minister in Deutschland auf einem Tiefpunkt. Am Sonntag hatte Erdogan Deutschland deswegen "Nazi-Praktiken" vorgeworfen.

Bereits im Februar hatte Ministerpräsident Binali Yildirm bei einem Auftritt in Nordrhein-Westfalen gesagt, dass auch Erdogan nach Europa kommen wolle.

Auftritt auch 2014

2014 war Erdogan - damals noch Ministerpräsident - im Präsidentschaftswahlkampf auch in Wien vor hier lebenden Türken aufgetreten. Er wurde von rund 13.500 Anhängern stürmisch bejubelt, die er als "Kara Mustafa Paschas Enkel und Erben" bezeichnete. Unter Großwesir Kara Mustafa war Wien 1683 zum zweiten Mal erfolglos von den Osmanen belagert worden.

Die von Erdogan vorgeschlagene Verfassungsreform würde ihm viel mehr Macht bescheren und das Parlament schwächen. Über das Vorhaben wird am 16. April per Referendum abgestimmt.

Österreicher an Ausreise gehindert

In der Türkei werden derzeit mindestens fünf Personen, vermutlich türkisch-österreichische Doppelstaatsbürger, an der Ausreise gehindert. Das erklärte das Außenministerium am Mittwoch auf APA-Anfrage. Die Hintergründe sollen politischer Natur sein.

Die Fälle, die der Grüne Sicherheitssprecher Peter Pilz am gestrigen Dienstagabend via Twitter an die Öffentlichkeit brachte, gehen allerdings teilweise schon bis ins Jahr 2016 zurück. Pilz mutmaßte, dass die fünf Personen von der türkischen Regierung als Anhänger Fetullah Gülens, der von Ankara für den Putschversuch im Sommer 2016 verantwortlich gemacht wird, eingestuft werden bzw. Präsident Recep Tayyip Erdogan in Österreich "kritisiert" haben.

Sie werden deshalb an der Ausreise gehindert, sind aber auf freiem Fuß. Zu den Hintergründen erklärte Außenamtssprecher Thomas Schnöll nur, dass es sich um "strafrechtlich relevante Fälle" handle.

Ob es sich bei den fünf Personen tatsächlich um Doppelstaatsbürger handelt, wollte Schnöll vorerst weder bestätigen noch dementieren. Im Vordergrund stehe ohnehin deren konsularische Betreuung. Die österreichischen Vertretungsbehörden würden regelmäßig bei den türkischen Stellen, so auch dem Außenministerium in Ankara, intervenieren. Ziel sei klarerweise die Aufhebung des Ausreiseverbotes, so der Sprecher.

Spitzel-Vorwurf

Von weiteren Fällen ist dem Außenministerium derzeit nichts bekannt. Nach Informationen des Abgeordneten Pilz würden jedoch noch mehr Österreicher in der Türkei festgehalten, wie er auf APA-Anfrage erklärte. Dabei gehe es ausschließlich um österreichische Staatsbürger (keine Doppelstaatsbürgerschaften). Und er befürchte, dass es immer mehr würden. Sowohl das Außen- als auch das Innenministerium hätten hier "vollkommen verschlafen", aktiv zu werden. Details sollen in einer Pressekonferenz am Donnerstag folgen.

Peter Pilz vermutet, dass AKP-nahe Vereine in Österreich die betroffenen Personen ausspioniert und diese Infos an die türkische Regierung weitergegeben haben. Bereits im Februar brachte er deshalb Strafanzeige gegen den von der staatlichen türkischen Religionsbehörde Diyanet eingerichteten Verein ATIB (Türkisch-Islamische Union) ein. Der Vorwurf: ATIB soll mutmaßliche politische Gegner Erdogans in Österreich "bespitzelt" haben. Die Staatsanwaltschaft Wien hat diesbezüglich bereits Ermittlungen eingeleitet, wie Sprecherin Nina Bussek der APA mitteilte.