Kanzler Christian Kern (SPÖ) veröffentlicht den Plan A, der an den Koalitionspartner ÖVP gerichtet ist. Geschäftsführer Georg Niedermühlbichler platziert die Botschaft, dass die SPÖ längst mit Grünen und Neos flirte.
Innenminister Wolfgang Sobotka (ÖVP) versetzt halb Österreich in Aufregung mit der Ankündigung, dass das Demonstrationsrecht verschärft werde. Vizekanzler Reinhold Mitterlehner zieht die Reißleine und pfeift den Niederösterreicher zurück.
Kein Wunder, dass die Botschaft, wonach alles Eitel und Wonne sei zwischen den Regierungspartnern, von vielen nicht geglaubt wird. In diese Unsicherheit platzte gestern ein Bericht der Kronen Zeitung, wonach es an diesem Wochenende im Kanzleramt bereits "Geheimverhandlungen" im engsten Kreis über eine allfällige Regierungsumbildung gebe.
"Alles Blödsinn" heißt es unisono bei SPÖ und ÖVP. Da sind sich alle wieder einig. ÖVP-Generalsekretär Werner Amon weist die Spekulationen zurück, und das Kanzleramt will dazu gar nicht Stellung nehmen.
Spekuliert wird, dass Innenminister Wolfgang Sobotka (ÖVP) ersetzt oder gegen SPÖ-Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil (SPÖ) getauscht werden könnte. Das Verteidigungsressort könnte in diesem Fall Verkehrsminister Jörg Leichtfried (SPÖ) übernehmen. Im Gegenzug könnte dann ÖVP-Staatssekretär Harald Mahrer für die Bereiche Infrastruktur und Forschung als Minister zuständig werden.
Auch von Seiten des Infrastukturministers, des Steirers Leichtfried, hieß es dazu: "Kein Kommentar." Für Werner Amon von der ÖVP sind "die Spekulationen völlig aus der Luft gegriffen". Es hätten "keinerlei derartige Gespräche stattgefunden". Ein Tausch des Innenressorts gegen das Infrastrukturressort, wie kolportiert wird, komme für die ÖVP "selbstverständlich nicht in Frage", betonte Amon in einer Aussendung.
Was steckt hinter den jüngsten Gerüchten?
In der SPÖ ist Feuer am Dach, seit Niedermühlbichler - offenbar nicht abgesprochen mit dem Kanzler - eine Strategie verraten hat, die quasi im Moment der öffentlichen Verlautbarung keine Strategie mehr ist: Die Annäherung an Grüne und Neos nämlich, um sich neben der ÖVP eine zweite Option offenzuhalten, insbesondere für den Fall, dass es nach der nächsten Nationalratswahl eine Achse ÖVP - FPÖ gibt.
Gift für die gerade erst mühsam wieder gekittete große Koalition: Dabei brauchen beide Parteien, sowohl SPÖ als auch ÖVP, ein paar gemeinsame vorweisbare Erfolge wie den sprichwörtlichen Bissen Brot, um bei den Wählern wieder Glaubwürdigkeit zu erlangen. Die Offensive des Parteisekretärs lässt nur zwei Schlussfolgerungen zu: Entweder sie war abgesprochen mit dem Kanzler, dann hat dieser ein irreparables Problem mit dem Partner ÖVP.
Handlungsbedarf bei der SPÖ
Oder sie war nicht abgesprochen, dann hat die SPÖ ein Problem mit ihrem Sekretär: In diesem Fall müsste Niedermühlbichler unverzüglich seines Amtes enthoben oder aber von der Funktion der Vertretung der Partei nach außen entbunden werden. Wie es heißt, wird darüber tatsächlich ganz intensiv im innersten Kreis der SPÖ beraten und könnte es diesbezüglich kommende Woche zu einer Weichenstellung kommen. Was Kern, der sich zur Leitfigur der SPÖ und der Republik berufen fühlt, gar nicht brauchen kann, sind Querschüsse aus dem eigenen Stab.
Ohnmacht bei der ÖVP
In der ÖVP verhält es sich umgekehrt. Da versucht einer von unten, die vermeintlich fehlende Leadership des Chefs zu kompensieren. Wie es heißt, war der Versuch von Innenminister Wolfgang Sobotka, mit der Verweigerung seiner Unterschrift die Neuauflage des Regierungsübereinkommens zu torpedieren, kein spontanes Aufbäumen, sondern eine konzertierte Aktion. Sobotka soll auch andere Regierungsmitglieder dazu angestiftet haben, dem Treueschwur von Reinhold Mitterlehner gegenüber der SPÖ nicht Folge zu leiten. Bis man ihn mehr oder weniger dazu zwang, davon Abstand zu nehmen.
Seitdem ist die Stimmung zwischen dem Vizekanzler und dem Anführer des "Sturmtrupps" aus Niederösterreich unter dem Gefrierpunkt. Die Gerüchte, wonach Sobotka kurz vor der Ablöse steht, könnten jetzt also von seinen Feinden gestreut worden sein, oder aber von seinen Freunden, um die Führung dazu zu zwingen, ihn in Reaktion darauf öffentlich mehr denn je einzuzementieren.
Formal wäre eine Ablöse Sobotkas selbstverständlich möglich, realpolitisch wird sie ausgeschlossen: Das würde sich Niederösterreichs Erwin Pröll niemals bieten lassen, zumal er Sobotka gegenüber in der Schuld steht. Schließlich hat er den Möchtegern-Landeshauptmann persönlich verhindert und Sobotka-Vorgängerin Johanna Mikl-Leitner den Vorzug gegeben.
Mit Sobotka werden also wohl alle Beteiligten bis zur Wahl - spätestens im Herbst 2018 - leben müssen. Und damit, dass der gedemütigte Innenminister auf seinem Terrain weiterhin versuchen wird, sich als starker Mann zu profilieren.
Nicht alles ist dabei so schlecht gemeint, wie es über die Rampe kommt: Die Verschärfung des Demonstrationsrechts war im Detail und vor allem in der Kommunikation in der Katastrophe. Der Anlass, die Vervielfachung der Zahl der Demonstrationen in Wien und das Nachdenken darüber, wie besonderes häufig frequentierte Areale vor einer unzumutbaren Vereinnahmung durch die Akteure geschützt werden können, sind ein legitimes Arbeitsfeld für einen Innenminister.
Eine andere Regierungsumbildung - im Gespräch sind immer wieder Familienministerin und Justizminister - zahlt sich in einer Phase, in der die Regierung vor allem mit Stabilität punkten will, kaum aus.
Claudia Gigler