Die Wiener SPÖ ist in sich zerstritten, seit Monaten wird um personelle Fragen gerungen. Jetzt zieht der Wiener Bürgermeister und SPÖ-Chef Michael Häupl die Reißleine: Die angezählte Gesundheits- und Sozialstadträtin Sonja Wehsely verlässt die Politik und geht zu Siemens Deutschland. Per 1. April soll sie die Führung der Siemens Healthcare Gmbh in Erlangen verstärken und dort einen neuen Servicebereich aufbauen.
Wehsely zog bei einer Pressekonferenz Bilanz über "20 Jahre Politik und 10 Jahren führende Verantwortung im größten Ressort der Stadtregierung". Wehsely war die jüngste Gemeinderätin und die jüngste Stadträtin: "Mein Verständnis von Politik war immer, dass ich nicht in die Politik gehe, um Funktionen zu haben, sondern um zu gestalten, zu verändern. Das bedeutet, dass es Widerstand gibt."
Mangelnde Beliebtheit habe sie nicht als Problem gesehen, sondern sie sei konsequent ihren Weg gegangen. Aber die Neugestaltung der Zukunft wolle sie anderen in der Partei überlassen. Auf die Auseinandersetzungen um die Nachfolge von Bürgermeister Michael Häupl habe sie sich nicht mehr einlassen wollen. Am 26. Jänner werde sie ihre letzte Gemeinderatssitzung bestreiten.
"Glückstag" für ÖVP und FPÖ
ÖVP und FPÖ lassen kein gutes Haar an Wehsely: ÖVP-Chef Gernot Blümel rief gar einen "Glückstag" aus. FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache ortet einen "Silberstreif am Horizont": "Jetzt ist der Weg endlich frei für jemanden, der sein Fach versteht." Mit ihrer Haltung zur Mindestsicherung und ihrem Pro-Flüchtlingskurs hatte sich Wehsely viele Feinde gemacht. Neos und Grüne kommentierten ihren Rückzug mit Respekt.
"Volles Verständnis"
Michael Häupl hat sich am Freitag bei der scheidenden Gesundheitsstadträtin bedankt und betont: "Ich habe vollstes Verständnis für die Entscheidung, nach 13 Jahren in der Wiener Stadtpolitik neue Herausforderungen in der Privatwirtschaft anzunehmen". Bei Siemens war auch eine andere ehemalige Wiener SPÖ-Stadträin jahrelang tätig: Brigitte Ederer war Vorstandsvorsitzende von Siemens Österreich und Vorstandsmitglied der Siemens AG in Mänchen. Im September 2013 wurde sie abberufen.
Wehsely galt immer als Aushängeschild der Linken. Sie geriet parteiintern zunehmend ins Schussfeld, als es galt, eine neue Form des Umgangs mit der FPÖ und ehemaligen SPÖ-Wählern zu finden, gerade auch während der Flüchtlingskrise. Der Zankapfel: die Flüchtlingskrise. Wehsely verspürte insbesondere aus den Flächenbezirken wie Simmering starken Gegenwind. Zuletzt geriet sie unter Druck wegen umstrittener Vorgänge innerhalb des ihrem Ressort unterstellten Wiener Krankenanstaltenverbundes KAV.
Für 20. Jänner ist eine Vorstandssitzung anberaumt. Da will Häupl diese und allenfalls auch weitere Veränderungen verkünden. Im Gespräch ist eine Ablöse von Finanzstadträtin Renate Brauner - ihr könnte der derzeitige Wohnbaustadtrat Michael Ludwig folgen. Er ist neben Häupl der starke Mann der Wiener SPÖ, der auch schon als Nachfolger im Bürgermeisteramt lanciert wurde.
Der Bürgermeister selbst scheint jedoch nicht an Rückzug zu denken sondern bis zum Ende der Regierungsperiode im Amt bleiben und der FPÖ weiterhin Paroli bieten zu wollen.