Die Debatte über die Mindestsicherung geht für den Wifo-Leiter in die falsche Richtung. Das Gewicht der Diskussion stehe nicht im Einklang mit den Kosten, weil die Mindestsicherung weniger als eine Milliarde Euro ausmache und damit nur rund ein Prozent der gesamten Sozialausgaben. Aber sozial werde "ein Feuer angezündet, das man schwer löschen kann".

Badelt warf der Politik vor "dem Biertisch" nachzureden, indem die Mindestsicherungsbezieher und die Flüchtlinge mit Mindestpensionisten verglichen werden. "Wirklich empörend" findet es der Wifo-Leiter, dass man die Auszahlung der Mindestsicherung teilweise an Deutschkurse knüpfen wolle, weil man damit den Eindruck erwecke, dass Flüchtlinge nicht Deutsch lernen wollten. Gegen einen Deckel von 1.500 Euro für Familien hat Badelt nichts einzuwenden. Auch gemeinnützige Arbeit für Asylwerber findet er in Ordnung, weil diese auch selbst etwas tun wollen.

"Pensionsreform langfristig notwendig"

Eine Pensionsreform hält der Wifo-Chef langfristig für notwendig, weil das Budget die Kosten langfristig nicht aushalten werde. Den Kopf zerbrechen müsse man sich auch über den Übergang vom Erwerbsleben in die Pension, weil viele Menschen Gesundheitsprobleme haben. Hier brauche es Präventionsmaßnahmen. Die 100 Euro-Einmalzahlung zusätzlich zur Pensionsanpassung um 0,8 Prozent ist für Badelt "reiner Populimus". Für "genau so viel oder genau so wenig sinnvoll" hält er das im Abtausch damit beschlossene Erlassen der Sozialversicherungsbeiträge für das letzte Quartal für 80 Prozent der Bauern.

Eine seriöse Gesamtreform wünscht sich Badelt für die Steuern und Abgaben. Den Faktor Arbeit will er entlasten, Energie dafür stärker belasten. Bei Diesel ist er gegen die begünstigte Besteuerung, aber vor einer Streichung müsse man sich anschauen, wer davon wie betroffen wäre. In Sachen Vermögenssteuern ist Badelt bezüglich einer Bestandsbesteuerung skeptisch, er kann sich aber durchaus vorstellen, den Zufluss von Geld und Vermögen stärker zu besteuern. Bei der Entlastung des Faktors Arbeit plädiert der Wifo-Chef dafür, die Sozialabgaben vor allem für Niedrigverdiener zu senken. Bezüglich der von der SPÖ geforderten Wertschöpfungsabgabe ist er "persönlich skeptisch", will darüber aber seriös und ergebnisoffen diskutieren. Grundsätzlich plädiert Badelt aber dafür, sich zunächst das Gesamtsystem genau anzuschauen und dann zu entscheiden, ob man bei einzelnen Steuern etwas verändert.

Steuerwettbewerb "desaströs"

Der "Zorn gegen die Konzerne" hat aus Sicht von  Badelt einen "realen Grund". Jedoch gehe es dabei nicht nur um die besonders in Österreich umstrittenen Freihandelsabkommen (TTIP, CETA), sondern auch um die Besteuerung, wie der Wirtschaftsforscher in der ORF-"Pressestunde" sagte. Dass manche Länder in der EU nun die Steuern für Firmen senken, hält er für "desaströs".

"Vom Steuerwettbewerb halte ich absolut gar nichts", so Badelt. Einzelne Staaten wie Irland, die Unternehmen mit besonders niedrigen Abgaben ins Land locken, hätten vielleicht für ein paar Jahre Vorteile. À la longue sei das aber fatal, "weil wir in der EU wieder eine Front aufmachen, wo wir nicht solidarisch sind".

Eine Steuerunion wäre freilich politisch nicht durchsetzbar, so der Chef des Wirtschaftsforschungsinstituts und langjährige Rektor der Wirtschaftsuniversität (WU). Statt sich wechselseitig die Unternehmen abspenstig zu machen, solle Europa stärker partnerschaftlich agieren.

Da Österreich im Vergleich zu manchen Nachbarstaaten mit 25 Prozent eine etwas höhere Körperschaftssteuer (KÖSt) habe, sei es Konzernen natürlich nicht zu verdenken, sich woanders niederzulassen.

"Massive Folgen"

Was die geplanten Steuerabkommen der EU mit den USA (TTIP) und Kanada (CETA) betrifft, ist Badelt nicht so skeptisch. "Die grundsätzliche Haltung, dass man durch die Öffnung der Wirtschaft Erfolge erzielt, ist meiner Meinung nach grundrational", so Badelt. Heikle Bereiche wie Umwelt oder Lebensmittel seien im CETA-Vertrag "wunderbar geregelt".

Die Ansagen des künftigen US-Präsidenten Donald Trump, wieder Zölle einzuführen und Freihandelsabkommen abzuschaffen, betrachtet Badelt mit Sorge, wenngleich niemand wisse, "was Trump wirklich machen wird". Sollte er seine Ankündigungen umsetzen, hätte das jedenfalls "massive Folgen", meint der Wifo-Chef. Der Wohlstand würde nicht nur in den USA, sondern auch in Europa und insbesondere in Österreich leiden.

Die österreichischen Exporte in die USA sicherten rund 80.000 Jobs, Österreich hänge mit einer Ausfuhrquote von mehr als 50 Prozent "massiv" vom Außenhandel ab, erinnert der Wifo-Chef. In den USA betrage die Exportquote dagegen nur 13 Prozent.

Würde Trump aber jetzt hohe Zölle für Waren aus China einheben, träfe das auch die amerikanische Wirtschaft. "Die Chinesen würden fragen: Wie ist das mit unseren Zulieferungen fürs iPhone?", so Badelt. Dann würden sich wohl die Preise für das Apple-Handy erhöhen.

"Radikaler bekämpft"

Zur US-Wirtschaftspolitik der vergangenen Jahre meinte Badelt, die USA hätten die Ursachen der Krise viel radikaler bekämpft als Europa - "insbesondere, was die Bankenproblematik betrifft". "Man muss auch sagen, dass die Amerikaner viel weniger Skrupel gehabt haben, sich zu verschulden."

Badelt warnte aber gleichzeitig europäische Staaten, sich nun in Zeiten niedriger Zinsen der Versuchung hinzugeben, die Staatsschulden zu erhöhen. Wenn die Zinsen steigen, bedeutete das nämlich eine Einschränkung der Ausgaben. Für Österreich plädiert Badelt für eine Reduktion der Verschuldung, bei gleichzeitiger Erhöhung der Staatsausgaben in Schlüsselbereichen wie Bildung, Sozialwesen und Infrastruktur.

Höhere Arbeitslosigkeit

Dass Europa in den vergangenen Jahren einen Sparkurs gefahren sei, sieht Badelt nicht so. Es habe natürlich Einsparungen in einzelnen Bereichen gegeben und Krisenländer wie Irland oder Griechenland hätten den Rotstift stark angesetzt. Aber insgesamt seien die Ausgabenquoten in den vergangenen Jahren hoch geblieben.

Zur seit Jahren steigenden Arbeitslosigkeit in Österreich sagte Badelt: "Wir werden mit höheren Arbeitslosenraten leben müssen." Angesprochen auf eine Erhebung, wonach kaum ein Wiener Arbeitsloser bereit sei, einen Job außerhalb der Stadt anzunehmen, meinte Badelt, man müsse das Problem in Relation sehen. Es brauche "klassische Maßnahmen" etwa im Bereich Bildung.