Inhaltlich wurden etwa die Themen EU oder Migration abgeklopft. Offen blieb, ob es zu einer Rot-Blauen Koalition kommen könnte.
Der Besucherandrang war groß, der Sendesaal im Radiokulturhaus in der Argentinierstraße vollbesetzt, als Kern und Strache kurz vor 18.30 Uhr den Saal und mit Moderator Klaus Webhofer die Bühne betraten. Es war nicht das erste persönliche Zusammentreffen zwischen Kern, seit rund sechs Monaten Kanzler, und dem Chef der größten Oppositionspartei. Und die Gesprächsbasis sei eine gute, versicherten die beiden eingangs. Strache zeigte sich erfreut, dass mit dem Kanzler- und Parteichefwechsel bei der SPÖ eine "neue Qualität" der Gesprächsbasis eingetreten sei. Dass sich seine Vorgänger mitunter "verweigert" haben, sei "feig" gewesen, meinte der FPÖ-Chef. Kern erklärte, er habe angekündigt, mit allen Parteien reden zu wollen. Dabei stelle sich dann heraus, ob es Gemeinsamkeiten gebe oder eben nicht.
"Welcher Pudel hat die Nase vorne?"
Ob diese Gesprächsverweigerung in der Vergangenheit ein Fehler gewesen sei, wollte Kern nicht erklären, dieses Thema fasziniere lediglich die Kommentatoren. Auch ob Strache nun ein Nationalist oder ein Rechtsdemagoge ist, interessiert Kern "nicht sonderlich". Dies erinnere ihn an ein Hunderennen: "Welcher Pudel hat die Nase vorne", und darum könnten sich die Leute im Land nichts kaufen.
Inhaltlich kamen unter anderem das Freihandelsabkommen CETA oder die EU aufs Tapet. Zu ersterem hielt Kern fest, dass es sein Ziel gewesen sei, Verbesserungen für Österreich zu erzielen. Strache verwies jedoch auf die SPÖ-Regierungsverantwortung, die bereits vor Kerns Amtsübernahme bestanden habe. Während Strache die EU als reine Wirtschaftskooperation sehen will, pochte Kern auf die EU als "Werteprojekt", bei dem es um Rechtsstaatlichkeit, Demokratie und den Respekt vor Menschenwürde gehe. Kern erinnerte Strache daran, dass die Freiheitlichen eine Volksbefragung über den EU-Austritt gefordert hätten - der FPÖ-Chef bestritt jedoch, über den "Öxit" gesprochen zu haben. Kern räumte ein, dass man bei der EU-Erweiterung Änderungen bei den Entscheidungsprozessen verabsäumt habe. Etwas später attestierte ihm Strache dann: "Sie sind der Meister der schöngekleideten leeren Worthülsen." Eine gemeinsame Europa-Armee lehnten beide Parteichefs mit Verweis etwa auf die Neutralität ab.
Keine internationale Isolation
Gesprochen wurde auch über die Ost-Orientierung des Freiheitlichen Bundespräsidentschaftskandidaten Norbert Hofer. Dazu betonte Strache, dass dies keine Position der Partei sei, sondern lediglich zeige, dass es keine internationale Isolation ihm gegenüber gebe. Er unterstütze das, sei selbst aber derzeit nicht in der Funktion, von den osteuropäischen Staaten eingeladen zu werden, so Strache. Kern verwies hier auf die Solidarität in Europa und schwenkte auf die Steuerflucht, die inakzeptabel sei. Anders als große Konzerne habe "jede Würstelbude eine höhere Steuerbelastung". Auch kam er bei dem Thema auf das Lohn- und Sozialdumpinggesetz auf europäischer Ebene zu sprechen. Die Gruppe der Visegrad-Länder wolle hier keine Verschärfungen, seien sie doch die Profiteure.
Strache wiederum brachte das Gespräch auf die Situation in der Wiener SPÖ und sprach von "Kernspaltung". Was diverse Wortspiele anbelangt, zeigte sich Kern aber "schmerzbefreit": "Halten Sie sich nicht zurück." "Wir sind von einem Knittelfeld auf sozialdemokratisch weit entfernt", betonte der Parteichef dazu weiter. Es habe immer wieder Diskussionen und unterschiedliche Positionen gegeben, aber: "Ich habe völliges Vertrauen, dass der Bürgermeister (Michael Häupl, Anm.) die richtigen Entscheidungen trifft." Strache verwies auf aktuelle Umfragen, die die FPÖ weit vorne sehen und meinte: "Dass da kein Problem sein soll, das ist abseits der Realität." Kern konterte: "Ich schätze das, dass Sie sich um die SPÖ Sorgen machen. Aber wenn die Umfragen stimmen würden, wäre Großbritannien noch in der EU und Hillary Clinton Präsidentin."
"Erhebliche Unterschiede"
Beim Thema Zuwanderung attestierte Kern den beiden Parteien "erhebliche Unterschiede". Er hob die Bedeutung einer sicheren EU-Außengrenze hervor sowie eine nachhaltige Lösung in den Herkunftsstaaten. Was den erneuten Streit um die Obergrenze der Asylanträge in der Koalition betrifft, zeigte der Kanzler Unverständnis: "Wir haben eine Obergrenze definiert, die ist verbindlich, die ist umzusetzen." Ob dies in der Verfassung sei oder nicht, sei juristisch zu klären, so Kern. Einen aktuellen Streit würde er "nicht ausblenden": "Aber der ist von wenig Rationalität geschlagen." Strache kritisierte einmal mehr die Vorgangsweise der Bundesregierung bei der Flüchtlingswelle im Vorjahr, seien mit dieser doch auch radikale Islamisten und Terroristen mitgekommen. Kritik übte er auch daran, dass Hilfsgelder für die betroffenen Regionen zurückgefahren wurden. Er pochte auch darauf, dass Flüchtlinge im ersten sicheren Drittstaat um Asyl ansuchen müssen und nicht in ihre "Wunschdestination" Österreich reisen dürfen. Strache warnte weiters davon, dass "teilweise faschistoide Ideologie" hinter Religion versteckt werde und Parallelgesellschaften entstanden seien.
Bildung als "Megathema"
Bei der Wirtschaftspolitik forderte der FPÖ-Chef eine Steuersenkung mit einer Quote unter 40 Prozent, um den Standort zu attraktivieren. Kern wollte neben dem "Riesenskandal" hohe Arbeitslosigkeit auch den Beschäftigungsrekord genannt wissen. Auch verwies er auf das "Megathema" Bildung.
Zum - Zitat Kern - "Lieblingsthema der Kommentatoren" - nämlich eine Zusammenarbeit von SPÖ und FPÖ, meinte der Kanzler: Eine "große, stolze Partei, die den Führungsanspruch stellt", müsse sich darüber definieren, wofür sie steht, nicht darüber, was sie nicht tut. Zunächst werde die SPÖ nun die Kriterien für künftige Koalitionen ausarbeiten und dann gebe es darauf basierend Entscheidungen.
Durch Welten getrennt
Das Gespräch scheinen die beiden genossen zu haben: "So ein amikales Gespräch wie heute haben wir noch nie geführt", so Kern, denn im Parlament "klescht's" regelmäßig. Es sei aber "gut zu sehen, dass wir eine gute Kinderstube haben". Inhaltlich freilich "trennen uns mittlere Welten", meinte der SPÖ-Chef. Strache bekräftigte: "Ich grenze grundsätzlich niemanden aus." Anspruch der FPÖ sei es, stärkste Partei zu werden und dann mit dem Zweiten und Dritten zu reden. Zwar gebe es Schnittstellen mit der SPÖ, etwa bei der Infrastruktur, der Gesundheit oder beim Thema Soziales. Bei den Pensionen sei man jedoch "schon kritischer", vor allem die soeben beschlossenen 100 Euro "Almosen" störten Strache.