Das Europaparlament dürfte kommende Woche ein starkes politisches Signal an die Türkei und an die EU-Staaten senden. Wegen der Verschlechterung der Grundrechte in der Türkei zeichnet sich eine Empfehlung der EU-Abgeordneten für ein Aussetzen der EU-Beitrittsgespräche mit Ankara ab. Die Haltung des EU-Parlaments ist für die Staaten nicht bindend, es wäre aber dennoch ein deutliches Zeichen.

Auf eine Resolution des EU-Parlaments zur Lage in der Türkei haben die Sozialdemokraten und die Liberalen gedrängt. Manfred Weber, der Chef der größten politischen Gruppierung im EU-Parlament, der christdemokratischen Europäischen Volkspartei (EVP), hat bereits am Mittwoch ein Aussetzen der seit 2005 laufenden EU-Beitrittsgespräche mit der Türkei verlangt.

"Wir fordern nicht den Stopp der Gespräche. Wir fordern eine Aussetzung. Wir brauchen mehr Zeit. Die Türkei braucht mehr Zeit, um die Situation zu klären", sagte Weber. Aus der EVP-Fraktion hieß es, ein Votum des EU-Parlaments für eine Unterbrechung der EU-Beitrittsverhandlungen sei "wahrscheinlich".

Auch die zweitgrößte Fraktion, die Sozialdemokraten, wollen die Gespräche einfrieren. In einem internen Positionspapier ist die Rede von einem "Wendepunkt in den Beziehungen mit Ankara".

"Türen bleiben offen"

"Es gibt keine Alternative zu diesen schwerwiegenden Schritten, solange die türkische Regierung die Demokratie und die Rechtstaatlichkeit weiter vernachlässigen und untergraben. Der Dialog mit Ankara muss und wird aufrecht bleiben,   Erdogan muss verstehen, dass Rechtstaatlichkeit, Demokratie, Pressefreiheit und Minderheitenrechte für ein Kandidatenland unangreifbare Säulen in der Türkei sind", heißt es in dem Positionspapier. "Die Türen für die Türkei und für die Menschen in der Türkei bleiben offen, aber jene für die Beitrittsgespräche sollte es bis auf weiteres nicht sein."

Die Verhandlungen der EU-Parlamentsfraktionen über den Text der Türkei-Resolution sollen am Montag oder Dienstag in Straßburg stattfinden. Die Debatte ist Dienstagnachmittag vorgesehen, über den Text soll dann am Donnerstag abgestimmt werden.

Abbruch ginge nur einstimmig

Ein Abbruch der EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei wäre nur mit einstimmigem Beschluss der EU-Staaten möglich. Vom völligen Abbruch der Gespräche ist eine Suspendierung, das heißt ein Aussetzen oder Einfrieren, der Beitrittsverhandlungen für einen bestimmten Zeitraum zu unterscheiden. Diese kann laut dem Verhandlungsmandat mit einer Mehrheit der EU-Staaten entschieden werden.

Die Suspendierung der EU-Beitrittsgespräche mit der Türkei ist konkret in Artikel 5 des Verhandlungsmandats von 2005 geregelt. Dieser sieht vor, dass die EU die Gespräche mit Ankara bei schwerwiegenden und anhaltenden Demokratie- und Grundrechtsverletzungen mit qualifizierter Mehrheit aussetzen kann.