Hochrangige Vertreter der Republik und der Kirche zollten bei einem Staatsakt für die Missbrauchsopfer von Heimen der öffentlichen Hand und der Kirche den Betroffenen Respekt und Anerkennung. "Was Ihnen widerfahren ist, ist eine Schande für unser Land, und ich stehe hier und schäme mich", sagte Nationalratspräsidentin Doris Bures (SPÖ) am Donnerstag im Parlament.

"Manchmal sucht man nach Worten, aber man findet nur Tränen", so Bures. Den Staatsakt bezeichnete die Nationalratspräsidentin als "Geste der Verantwortung. Er kann und soll keinen Schlussstrich unter offene Diskussionen und die Aufarbeitung setzen." Es gehe darum, dass staatliche und kirchliche Stellen das Leid der Betroffenen anerkennen und ihre Schuld eingestehen. "Leugnen, verdrängen, vergessen", sei nämlich über viele Jahre die Devise bei den Verantwortlichen gewesen. Und: "Das Versagen darf sich nicht wiederholen", erklärte Bures.

Der Wiener Erzbischof und Kardinal Christoph Schönborn machte schon vor der Veranstaltung deutlich, dass der Staatsakt alles andere als ein Schlussstrich unter die Missbrauchsthematik sein darf. "Wir haben in der Kirche zu lange weggeschaut", sagte Schönborn dann im Parlament. "Wir haben vertuscht, wir haben, wenn Missbrauch bekannt geworden ist, Leute versetzt und nicht abgesetzt. Für diese Schuld der Kirche stehe ich heute vor ihnen, und sage, ich bitte um Vergebung." Nur die Wahrheit mache frei, so der Wiener Erzbischof. "Die Kirche muss ihr Versagen hier genauso einbekennen. Ich verbeuge mich vor Ihnen und dem, was sie erlitten haben."

Auch Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) entschuldigte sich bei den Betroffenen und sprach von einem "Schattenkapitel unserer Geschichte". Vielen Jugendlichen sei in Heimen "unfassbares Leid" zugefügt worden. "Für viele war die Kindheit nicht das Paradies, sondern eine Hölle." Dies mache ihn "unendlich zornig und abgrundtief traurig", so der Kanzler: "Wir können als Staat das Unrecht benennen und die Lehren daraus ziehen. Es wird geredet, und es wird nicht mehr zugedeckt."

Vizekanzler Reinhold Mitterlehner (ÖVP) nannte den Staatsakt "ein öffentliches Zeichen der Gesellschaft und ihrer Repräsentanten, dass Missbrauch und Gewalt in dieser Gesellschaft gestern, heute und morgen keinen Platze haben." Öffentliche Stellen hätten versagt, Täter wurden zu spät oder nie bestraft. Für die Zukunft brauche es ein gesamtgesellschaftliches Bekenntnis, Kinder ernst zu nehmen und ihre Stimmen zu hören.

Der Staatsakt im Historischen Sitzungssaal des Parlaments, an dem auch zahlreiche Betroffene teilnahmen, wurde bewusst im Vorfeld des internationalen Tages der Kinderrechte angesetzt. Einige tausend Kinder und Jugendliche haben in der Zweiten Republik in Heimen der öffentlichen Hand und der Kirche Leid und Unrecht erfahren und waren brutaler Gewalt, Demütigungen und Missbrauch ausgesetzt. Staat und Kirche haben sich diesen Verbrechen erst in den vergangenen Jahren gestellt.

Mit dem Staatsakt im Parlament wollten das offizielle Österreich und die Kirche nun zum Ausdruck bringen, dass man die Lehren aus dem Geschehenen gezogen hat und das Leid der Betroffenen mitsamt seiner lebenslangen Konsequenzen anerkennt. Zwischen den einzelnen Reden der Politiker wurden die Erfahrungen der Opfer selbst thematisiert. Die Schauspieler Wolfang Böck, Regina Fritsch, Miriam Fussenegger, Karl Markovics und Florian Teichtmeister lasen aus Texten von Betroffenen sowie aus Forschungs- und Kommissionsberichten.

Kritik an der Veranstaltung

Von einzelnen Missbrauchsopfern gab es im Vorfeld des Staatsakts Kritik an der Veranstaltung, insbesondere von Mitgliedern der Plattform Betroffener kirchlicher Gewalt. Von "Heuchelei" war etwa die Rede. Zudem wurde darauf hingewiesen, dass in vielen Fällen noch immer keine Entschädigungen gezahlt worden und das Thema für etliche Betroffenen noch lange nicht abgeschlossen sei. Während des Staatsakts im Parlament kam es dann auch zu Unmutsbekundungen einzelner Betroffener.

Zudem wurde in einer Aussendung kritisiert, dass es sich um einen Staatsakt aus perfekt inszenierten Mitleidsbekundungen ohne jede Konsequenz gehandelt habe. Die Übernahme von politischer Verantwortung durch die politischen und kirchlichen Entscheidungsträger sei nirgendwo erkennbar gewesen. Nötig wäre eine staatliche Aufklärungs-Kommission, eine Aufhebung der Verjährung, die bisher die zivil- und strafrechtliche Verfolgung der Täter behindert habe, aber auch angemessene finanzielle Entschädigung, schrieb Sepp Rothwangl von der Plattform Betroffener kirchlicher Gewalt.