Nach dem Bekanntwerden eines Gewaltvideos, auf dem zu sehen ist, wie eine 15-Jährige verprügelt wird, sind weitere Verdachtsmomente gegen die mutmaßliche Haupttäterin bekanntgeworden. Sie wird in zwei weiteren Fällen von Körperverletzung verdächtigt. Am Montagabend wurde sie in der Polizeiinspektion Wagramer Straße in Wien-Donaustadt bei ihrer Einvernahme festgenommen.

Untersuchungshaft beantragt

Die Festnahme erfolgte aufgrund einer Anordnung der Staatsanwaltschaft St. Pölten, die auch die Untersuchungshaft gegen die 15-Jährige beantragt hat. Die anderen drei Verdächtigen, die in dem Gewaltvideo zu sehen sind, befanden sich am Dienstag weiter auf freiem Fuß.

Laut dem Wiener Polizeisprecher Thomas Keiblinger wurde die 15-Jährige, die als Rädelsführerin gilt, in einem weiteren Gewaltakt gegen eine 14-Jährige in der Großfeldsiedlung schwer belastet. Dabei soll sie gemeinsam mit mehreren anderen das jüngere Mädchen verprügelt und davon ebenfalls ein Video angefertigt haben. "Dieses Video haben wir auf dem Handy der 15-Jährigen gefunden", sagte Keiblinger.

Die 14-Jährige soll am 10. November auf einem Spielplatz in der Floridsdorfer Kürschnergasse von fünf bis sechs Jugendlichen zusammengeschlagen worden sein. Zwei hätten das junge Mädchen gehalten. Die 14-Jährige kam mit leichten Verletzungen davon. Ihre Mutter hatte den Vorfall angezeigt und nach dem Bekanntwerden des Gewaltvideos, in dem zu sehen ist, wie eine 15-Jährige verprügelt und verhöhnt wird, ergänzt, dass es sich bei den Aggressoren gegen ihre Tochter teilweise um die selbe Tätergruppe handelt.

Video verbreitete sich auf Facebook

Laut Keiblinger waren neben der Festgenommenen zwei weitere von dem Gewaltvideo bekannte Jugendliche bei der Attacke auf die 14-Jährige dabei. Bei ihnen handelt es sich um einen 16-Jährigen tschetschenischer Abstammung, der in Wien wohnt, und eine ebenfalls 16-Jährige, die aus Ecuador stammt. Dazu wird gegen mehrere bisher Unbekannte ermittelt.

Auf dem am Wochenende publik gewordenen Video ist zu sehen, wie das 15-jährige Mädchen beim Donauzentrum in der Donaustadt von vier Jugendlichen verprügelt, verhöhnt und beschimpft wird. Die Aggressoren filmten die Tat, ein Video verbreitete sich auf Facebook. Dieses wurde bis Dienstag rund 4,7 Millionen mal angesehen und mehr als 41.000 mal geteilt, bevor es von der Seite genommen wurde.

Das Opfer, eine 15-jährige Niederösterreicherin, hatte einen Kieferbruch erlitten und war operiert worden. Die Polizei forschte alle Angreifer - bei der vierten handelt es sich um eine 16-jährige Wienerin - aus. Die Tat wurde vergangenen Mittwoch in der Siebeckstraße in der Donaustadt verübt.

Die 15-Jährige ist laut ihrer Anwältin "traumatisiert". "Ich werde schauen, dass sie therapeutische Hilfe bekommt", sagte Rechtsvertreterin Astrid Wagner am Dienstagabend zur APA. Das Mädchen habe eine schwere Verletzung erlitten und dabei auch einen Zahn verloren, erläuterte Wagner. Sie werde jedenfalls Schmerzengeld beantragen. 

Haupttäterin ist amtsbekannt

Die mutmaßliche Haupttäterin ist bereits amtsbekannt. Sie lebt in einer Sozialeinrichtung für Jugendliche in Niederösterreich, deshalb ist die Staatsanwaltschaft St. Pölten mit dem Fall befasst. Sie soll am 3. November eine ähnliche Tat begangen haben, eine Gleichaltrige niedergeschlagen und mit dem Umbringen bedroht haben.

Keiblinger sagte, es sei nicht auszuschließen, dass die Jugendlichen weitere ähnlich gelagerte Straftaten verübt haben. Er bat allfällige weitere Opfer, sich zu melden. Dies sei bei allen Polizeidienststellen möglich.

Das Video indes ist seit Dienstagabend nicht mehr auf Facebook abrufbar, berichtete die "Zeit im Bild" des ORF. Usern, die das Video wegen Verherrlichung von Gewalt meldeten, war von Facebook zuvor ausgerichtet worden, dass es geprüft worden sei. Facebook habe dabei "festgestellt, dass es nicht gegen unsere Gemeinschaftsstandards verstößt". Auch die in dem Fall zuständige Staatsanwaltschaft St. Pölten nahm mit dem US-Unternehmen Kontakt auf. "Wir wollen erreichen, dass das Video von Facebook aus dem Netz genommen wird", hatte ein Sprecher der Staatsanwaltschaft zur APA gesagt.  

Justizminister Wolfgang Brandstetter (ÖVP) sieht keine Möglichkeit, illegale Videos auf Facebook von den Behörden entfernen zu lassen. Man könne nur im Rahmen eines rechtsstaatlichen Verfahrens die Entfernung erzwingen, sagte der Minister am Dienstag vor dem Ministerrat.

Mehrere Verfahren wegen Verhetzung

Ein zivilrechtliches Vorgehen ist laut Justizministeriumssprecherin Britta Tichy-Martin nur auf Betreiben des Opfers möglich, wenn es eine Verletzung seiner persönlichen Rechte gibt. "Da gibt es den Anspruch auf Unterlassung, und eine einstweilige Verfügung ist dazu ein Mittel." Man benötige aber jedenfalls eine Initiative der Betroffenen, dann könne ein Opfer mit einer Prozessbegleitung unterstützt werden. Im Einzelfall ist das aber eine Frage der unabhängigen Rechtsprechung.

Brandstetter betonte, dass die Gesetze für Facebook in diesem Zusammenhang genauso gelten würden wie für jeden anderen. Er verwies darauf, dass bereits mehrere Verfahren gegen den Konzern wegen Verhetzung laufen würden. Familienminister Sophie Karmasin (ÖVP) sagte, es brauche entschiedene Schritte gegen Gewalt in den sozialen Medien.