"Eine einseitige Arbeitszeitverkürzung auf drei Tage pro Woche bei vollem Lohnausgleich ist in einer globalisierten Welt realistisch nicht zu schaffen", sagte Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) bei einer Diskussion im Kreisky-Forum: "Jeder, der ihnen das verspricht, ist ein Scharlatan".

Der frischgebackene Beamten-Gewerkschaftschef Norbert Schnedl hatte am Donnerstag nach seiner Kür eine Arbeitszeitverkürzung auf 3,5 Tage gefordert. Aus seiner Sicht solle die Verkürzung so stark wie möglich ausfallen und zwar mit vollem Lohnausgleich. Schnedl will mit der Arbeitszeitverkürzung angesichts der Digitalisierung der Arbeitswelt die Verteilungsfrage neu stellen.

Im Interview mit der Kleinen Zeitung sagte Schnedl: "Arbeitsplätze, die durch die Digitalisierung verloren gehen, können sicher nicht im vollen Umfang ersetzt werden. In den nächsten 15 Jahren sollen laut Studien bis zu 55 Prozent der Tätigkeiten durch Computer ersetzt werden. Wenn das so ist, haben wir weniger Arbeit. Die muss man dann also anders verteilen. Wir müssen mittelfristig also über weniger Arbeit reden. Da ist eine 3,5-Tage-Woche eine Option, und das kann durchaus schon in fünf Jahren so sein." Auf die Frage der Kleinen Zeitung, dass dies doch weniger Reallohn bedeuten würde, sagte Schnedl: ""Nein. Wenn die Gewinne entsprechend sind, dann muss die Summe für Löhne natürlich gleich bleiben." (Das gesamte Interview ist in der Print-Ausgabe nachzulesen.)

Auch Kern verwies darauf, dass "die Mischung aus Digitalisierung, Technologieentwicklung und Globalisierung dazu führen wird, dass sich die wirtschaftlichen Sektoren massiv verändern werden". Schon heute gingen viele Menschen nicht mehr in die Bank oder in die Buchhandlung. "In Wahrheit ist jeder, der einen Schreibtisch vor sich hat, potenziell eine gefährdete Spezies." Das treffe die einfachen Tätigkeiten in der Industrie am wenigsten. Kern glaubt aber nicht, dass die Arbeit in der Gesellschaft ausgehen wird, in Sektoren wie der Gesundheit würden Jobs entstehen. Man müsse aber die Digitalisierung managen, damit es nicht zu einer Umverteilung von unten nach oben kommt. "Wir werden die Technologie nicht in eine Box stellen, zusperren und auf den Dachboden räumen, so wird das nicht gehen", sagte Kern.

Deutlich optimistischer war Marcel Fratzscher, Chef des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), in der Diskussion mit Kern. Schon seit 50 Jahren werde gesagt, dass es nicht genug Arbeit gibt und dass die Menschen weniger arbeiten müssen. "Ich glaube, wir werden nie einen Rückgang der Arbeit sehen. Denn solange der Mensch kreativ ist, Wille hat etwas zu tun, wird es Wachstum geben und Arbeit geben." Allerdings werde sich das Tätigkeitsprofil massiv ändern, kreative Arbeit werde gefordert sein - und man müsse darauf Rücksicht nehmen, dass die Menschen unterschiedlich lange arbeiten wollen.