Diese Medienoffensive ging ordentlich daneben: Als der Verfassungsrichter Johannes Schnizer (57) am Dienstag in Interviews mit "Falter" und "Zeit im Bild 2" zur Verteidigung des heiß diskutierten Verfassungsgerichtshof-Entscheids zur Aufhebung der Bundespräsidentenwahl ausritt, rechnete wohl niemand damit, dass zwei Tage später bereits über einen möglichen Rücktritt Schnizers spekuliert wird.
Mit Vorwürfen gegen die FPÖ, wonach diese ihre Anfechtung schon vor der Stichwahl vorbereitet habe, und seinem Wahl-Outing für den Grünen Alexander Van der Bellen hatte sich der Verfassungsrichter selbst in die Schusslinie und den Verfassungsgerichtshof ins Gerede gebracht. Da half es auch nichts, dass Schnizer nur seine "persönliche Meinung" zum Ausdruck brachte, wie er und auch VfGH-Präsident Gerhard Holzinger erklärten. Schnizer gehört dem Verfassungsgerichtshof seit Jänner 2010 an. Für den Sitz am Höchstgericht vorgeschlagen wurde Schnizer von der SPÖ, in der er zuvor verschiedene Stationen durchlief.
Jurist aus Graz
Johannes Schnizer wurde am 14. September 1959 als Sohn eines konservativen Grazer Kirchenrechtsprofessors geboren. Sein Jus-Studium absolvierte er in Salzburg. Von 1982 bis 1992 arbeitete er bereits als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Verfassungsgerichtshof. Politisiert durch den Aufstieg des damaligen FPÖ-Chefs Jörg Haider dockte Schnizer weltanschaulich schließlich bei der SPÖ an. 1992 wechselte er - formal als Beamter in der Parlamentsdirektion angestellt - in den SPÖ-Parlamentsklub, wo er für Verfassungsfragen zuständig war und die SPÖ 2003 und 2004 unter anderem im Österreich-Konvent vertrat.
Wechsel ins Kanzleramt
SPÖ-Chef Alfred Gusenbauer nahm Schnizer nach seinem überraschenden Wahlsieg 2006 mit ins Kanzleramt, wo der Jurist als Kabinettschef das Kanzlerbüro leitete. Schon damals wurden ihm Ambitionen auf einen Höchstrichterposten nachgesagt. Nach dem vorzeitigen Abgang Gusenbauers wechselte Schnizer im Jänner 2009 zunächst zurück in die Parlamentsdirektion, wo er für die Abwicklung des Entschädigungsfonds zuständig war.
Ende 2009 war es dann so weit. Schnizer wurde auf Vorschlag der SPÖ von der Bundesregierung zum Verfassungsrichter bestellt. Im Jänner 2010 trat er seinen Dienst an. Von 1994 bis 2008 war Schnizer übrigens auch Mitglied jener Bundeswahlbehörde, die der Verfassungsgerichtshof nun mit seinem Urteil unter Druck brachte.
Weiterer Aufstieg unwahrscheinlich
Dass es der Verfassungsrichter nach der Aufregung um seine Medienoffensive an die Spitze des Höchstgerichts schafft und im kommenden Jahr dem vor dem Ruhestand stehenden Verfassungsgerichtshofpräsidenten Gerhart Holzinger folgt, gilt inzwischen als eher unwahrscheinlich. Auch wenn Schnizer von Juristen ob seiner Kompetenzen und Kenntnisse Rosen gestreut werden, im Verfassungsgerichtshof ist man alles andere als glücklich über den außergewöhnlichen Schritt an die Öffentlichkeit.
Dabei wollte Schnizer nur die Kritik von Juristen und Statistikern wie Heinz Mayer, Alfred Noll und Erich Neuwirth zurückweisen, die bisherige Judikatur des Gerichts verteidigen und darauf hinweisen, dass es bei der Bundespräsidenten-Stichwahl am 22. Mai nicht nur "Schlampigkeiten", sondern "eklatante Rechtswidrigkeiten" gegeben habe. Und Schnizer wollte jener "Kritik, die wirklich schmerzt", wie er selbst meinte, begegnen, wonach das Gericht in vorauseilendem Gehorsam gegenüber der FPÖ entschieden habe. Der Vorwurf, das Geschäft der FPÖ zu betreiben, ging dem Verfassungsrichter mit SPÖ-Wurzeln offenbar zu weit.