Bei der ersten österreichweiten SPÖ-Mitgliederbefragung haben 88 Prozent der teilnehmenden Parteimitglieder gegen die vorläufige Anwendung des umstrittenen EU-Kanada-Handelsabkommen auf EU-Ebene gestimmt. Auch 89 Prozent der Nicht-Mitglieder sprachen sich dagegen aus. Insgesamt haben 23.730 Menschen an der Internetumfrage teilgenommen, davon 14.387 SPÖ-Mitglieder und 9.343 Nicht-Mitglieder.

Weiters haben sich jeweils 92 Prozent der SPÖ-Mitglieder und Nicht-Mitglieder dagegen ausgesprochen, dass CETA in Österreich in Kraft gesetzt werden soll, wenn darin die Möglichkeit von Schiedsverfahren gegen Staaten enthalten ist. 98 Prozent der SPÖ-Mitglieder (und 96 der Nicht-Mitglieder) sprachen sich dagegen aus, wenn dadurch europäische Qualitätsstandards gesenkt werden können. In künftigen Freihandelsverträge sollten die hohen europäischen Qualitätsstandards beibehalten werden, befürworteten 95 (93) Prozent und 96 (95) Prozent sprachen sich für größtmögliche Transparenz bei künftigen Verhandlungen aus.

"Die Umfrage hat bestätigt, dass es wie vermutet eine große Skepsis in der Bevölkerung gibt, vor allem gegen die gefühlten Geheimverhandlungen", sagte SPÖ-Bundesgeschäftsführer Georg Niedermühlbichler im Gespräch mit der APA. Die SPÖ fühle sich durch ihre Mitglieder unterstützt. Mit rund 7,5 Prozent sei die Beteiligung der SPÖ-Mitglieder über den Erwartungen gelegen. Bei vergleichbaren Umfragen wären es zwischen 3 und 5 Prozent. Die Befragung und die damit zusammenhängende Informationskampagne sei "wichtig und richtig" gewesen, man habe damit noch einiges bewegen können. Ob diese Bewegung, die es auch auf europäischer Ebene gebe, ausreiche, werde man sehen.

Bleibt SPÖ bei der Haltung?

Ob die SPÖ nach dieser Mitgliederbefragung bei ihrer ablehnenden Haltung gegenüber CETA bleiben wird, hängt laut Niedermühlbichler von den von der EU-Kommission und Kanada angekündigten gemeinsamen "Klarstellungen" ab, mit denen noch einiges abgefedert werden könnte. "Wenn es solche Klarstellungen und Verbesserungen gibt, die auch Sinn machen, dann warum nicht?", meinte Niedermühlbichler.

Der Punkte, der bei CETA am allermeisten aufrege, seien die privaten Schiedsgerichte. Wenn diese in die nationale Kompetenz fallen würden, wäre schon viel gewonnen. Und wenn es bei den Sozial-und Umweltstandards Klarstellungen gebe und bei der Daseinsvorsorge nicht nur die Negativliste, dann müsse man sich das anschauen. "Dann könnte es schon sein, dass man sagt, okay, dass reicht für uns, okay, wir blockieren es nicht", so Niedermühlbichler. "Wenn es nicht so ist, dann sind wird dem verpflichtet, was wir erfragt haben."

Die Kritik von Vizekanzler und Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner (ÖVP) an der SPÖ-Mitgliederbefragung weist Niedermühlbichler zurück. Die ÖVP solle vielmehr in die eigene Partei hineinhören: "Es gibt viele in der ÖVP, etwa Bürgermeister, die skeptisch zu diesem Abkommen sind", sagte Niedermühlbichler. Abgesehen davon resultierten die Fragen aus den Beschlüssen der Landeshauptleutekonferenz in Salzburg, wo bei denselben Fragen gesagt worden sei, "nein, das wollen wir nicht". "Wenn Mitterlehner sagt, dass ist eine schwere Belastung für die Koalition, dann muss er mit den sechs Landeshauptleuten sprechen." Diese hätten die Fragen genau so klar beantwortet wie jetzt die SPÖ-Mitglieder.

Kern fordert Nachbesserungen

Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) hat am Montag in New York seine Vorbehalte gegen das EU-Freihandelsabkommen mit Kanada (CETA) bekräftigt und Nachbesserungen gefordert. Im Gespräch mit Kanadas Premier Justin Trudeau forderte der Kanzler laut einer Sprecherin Nachbesserungen in den Bereichen Investitionsschutz, Arbeitnehmerrechte und öffentliche Dienstleistungen.

Trudeau habe für die Position Österreichs Verständnis gezeigt, so Kerns Sprecherin. In den Bereichen Daseinsversorgung (Strom, Gas, Wasser) sei das Abkommen noch verbesserungswürdig, auch in den Bereichen Investitions- und Arbeitnehmerschutz gebe es etwa bei der Gerichtsbarkeit noch Adaptionsbedarf. Kern sah sich in dieser Frage auf einer Linie mit dem deutschen Vizekanzler Sigmar Gabriel (SPD), der vergangene Woche ebenfalls mit Trudeau verhandelt hatte.

Bezüglich der Forderungen nach rechtsverbindlichen Nachbesserungen ziehe er mit dem SPD-Politiker an einem Strang, erklärte Kern am Rande der UN-Vollversammlung. Er forderte zudem, dass sich auch die EU-Kommission bezüglich CETA noch "bewegen" müsse. Allerdings sei auch klar, dass sich Österreich als Exportnation nicht grundsätzlich gegen den Freihandel stelle. Kern und Trudeau hatten diese Fragen bereits vor einigen Tagen per Telefon besprochen.