Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) hat mit seiner Forderung nach einem Abbruch der EU-Beitrittsverhandlungen die Türkei schwer verärgert. Der türkische Europaminister Ömer Celik sagte am Donnerstag, die Aussagen Kerns bereiteten ihm "Unbehagen". Außerdem sei es "verstörend, dass seine Stellungnahme ähnlich jener der Rechtsextremen" sei.
Celik fügte hinzu, dass es natürlich das demokratische Recht sei, Kritik zu üben. "Aber es gibt einen Unterschied zwischen der Kritik an der Türkei oder gegen die Türkei zu sein". Klar sei, dass die "Grundwerte der EU" die Referenz für die Türkei blieben, betonte Celik.
Kern hatte gegenüber der "ORF-"ZiB 2" und der Tageszeitung "Die Presse" am Mittwoch erklärt, "wir wissen, dass die demokratischen Standards der Türkei bei Weitem nicht ausreichen, um einen Beitritt zu rechtfertigen". Ein EU-Beitritt der Türkei sei für ihn für Jahre oder sogar Jahrzehnte ein "Ding der Unmöglichkeit". Verteidigungsminister Hans peter Doskozil legte am Donnerstag nach: "So ein Land hat in der EU nichts verloren", sagte er in Richtung Türkei. Er sprach sich für einen sofortigen Stopp der Beitrittsverhandlungen aus.
Dazu hieß es Donnerstag aus türkischen Regierungskreisen: "Die EU-Mitgliedschaft ist seit Jahrzehnten ein strategisches Ziel und bleibt ein zentrales Ziel für die Türkei. Wir glauben, dass Europa mit der Türkei an Bord stärker, vielfältiger und letztendlich relevanter auf der Weltbühne wäre."
Am 16. September treffen sich die Staats- und Regierungschefs von 27 EU-Staaten im slowakischen Bratislava. Dabei will Kern das Thema EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei zur Sprache bringen. Ursprünglich war angesichts des Brexit-Votums die Lage in Großbritannien Hauptthema. Dies dürfte aber nun wegen der Folgen des gescheiterten Türkei-Militärputsches erweitert werden.