Die Regierungsspitze hat die Vorstellung des
Wirtschaftsberichts zu einem Bekenntnis zur EU-Mitgliedschaft genutzt. "In Zeiten wie diesen" sei es wichtig, in einer großen Solidargemeinschaft zu leben, so Vizekanzler Reinhold Mitterlehner (ÖVP). "Wenn man seine sieben Sinne beinander hat", könne es keine
Fundamentaldiskussion über eine EU-Mitgliedschaft geben, so Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ).
Kein "Öxit"
Großbritannien habe sehr schnell gemerkt, was passiert, wenn der Kapitalmarkt das Land anders einstuft, warnte Mitterlehner in einer Podiumsdiskussion in der Akademie der Wissenschaften anlässlich der Vorstellung des Wirtschaftsberichts 2016. Das Vereinigte Königreich
habe "das politische System destabilisiert und die Wirtschaft von Platz fünf auf Platz sieben runtergespaced", so Kern. Die Großindustrie überlege sich nun, ob sie weiter in dem Land investiere. Daher habe er kein Verständnis, wenn eine Diskussion über "Öxit" oder die grundsätzliche Rolle Österreichs in der EU starte: "unser Verantwortungsbewusstsein erlaubt nicht, dass wir die Karre an die Wand fahren."
Einig waren sich Kern und Mitterlehner auch, dass Wissenschaft und Wirtschaft enger verknüpft werden müssten. "Ein Land wird niemals wirtschaftlich an der Spitze stehen, wenn es nicht gleichzeitig an der Spitze der wissenschaftlichen Forschung steht" gab Gastgeber Anton Zeilinger, Präsident der Akademie der Wissenschaften, ein Zitat von Werner von Siemens aus der Zeit um 1880 der Diskussion mit. Über die geplante Entrümpelung der Gewerbeordnung wurde nicht gesprochen - auch die Senkung der Bankenabgabe blieb de facto unerwähnt.
Viele Überschriften
Eher regierten allgemeine Ansagen: Um die Wirtschaft zu gestalten, brauche es einen "mittelfristigen Plan", so Kern. Im Bahnbereich habe man einen Heimmarkt geschaffen und darüber hätten innovative Firmen Produkte geschaffen, die nun weltweit exportiert werden können, etwa Schienen oder Weichen. Wenn Österreich nicht rasch sagen könne, wie sich die Rahmenbedingungen weiter entwickeln, werde es bei den Investitionen zu einer Zurückhaltung kommen. "Wir diskutieren mit der Voest gerade, ob in Linz in Hochöfen investiert werden kann", so Kern. Mitterlehner sprach in der Diskussion ebenfalls von einer "Standortgarantie über gleichbleibende Rahmenbedingungen". Jedenfalls dürfe es keine
rückwirkenden Gesetze geben. Am scheidenden britischen Premier David Cameron sei vorbildlich, dass er das Prinzip "one in, two out" für neue Gesetze eingeführt habe - für jedes neue Gesetz müssen zwei alte auf Sinnhaftigkeit geprüft werden. Mitterlehner verwies auf das
Arbeitnehmerschutzgesetz, das vor 20 Jahren unter ganz anderen Bedingungen geschaffen worden sei aber immer noch Basis für alle Beschwerden sei.
Lösungen seien oft aber auch nur im internationalen Gleichschritt möglich, etwa um dem Preisdumping aus China bei Grundstoffen zu begegnen, erinnerte Kern. Während die USA Schutzzölle von 260 Prozent auf chinesischen Stahl einheben, seien es in Europa nur 14
Prozent. Und neben Stahl seien auch andere Grundstoffe betroffen.
Grundsätzlich mangele es aber nicht an guten Vorschlägen, weiß Mitterlehner."Wir haben zehntausende Vorschläge, aber es geht um das Wie und nicht um das Was" mahnte er konkrete Umsetzungen ein. Das
scheitere aber oft daran, dass "der mittlere Bereich nicht
liebgewonnene Gewohnheiten ändern will". Vertrauen der Wirtschaft gewinnen könne man, aber "nicht, indem wir Registrierkassenprojekte umsetzen".