Vizekanzler und ÖVP-Obmann Reinhold Mitterlehner sprach sich nach dem Ministerrat weiterhin für eine Deckelung aus und sieht darin "keine unsoziale Position". Mitterlehner pocht darauf, dass zwischen Erwerbseinkommen und Transferleistungen die "richtige Balance" gefunden werden muss und nannte einmal mehr den Höchstbetrag von 1.500 Euro. Ohne diese Klärung werde man einer neuen 15a-Vereinbarung nicht zustimmen können, so der Vizekanzler. Angesprochen auf die anstehende Kürzung in seiner Heimat Oberösterreich meinte er, dies sei Angelegenheit des Bundeslandes.

Mitterlehner hielt noch fest, dass es sich bei der von der ÖVP geforderten Deckelung um "keine unsoziale Position" handle und verwies auf Familienleistungen für Kinder, hier gebe es keine Einschränkung. Die "Dynamik des Anstiegs" bei den Bezieherzahlen "irritiert" jedoch, so der Vizekanzler.

Es brauche eine österreichweit gemeinsame Linie, forderte hingegen Bundeskanzler Christian Kern, dies sollte man möglichst wieder herstellen. Anderenfalls gebe es einen Anreiz und Wettbewerb, bei dem man sich dort niederlässt, wo es die besten Sozialleistungen gebe: "Das kann definitiv niemand wollen." Der designierte SPÖ-Chef verwies auch auf die Fakten, demnach fließen 0,7 Prozent des Sozialbudgets in die Mindestsicherung und drei Viertel der Bezieher seien sogenannte Aufstocker etwa für eine geringe Pension oder einem niedrigen Arbeitseinkommen. "Man muss sich vor Augen führen, wen man trifft", Kürzungen seien eine "Problematik, die man nicht ignorieren kann". Die Betroffenen seien in dem Fall Kinder, meinte Kern.

Er betonte weiters, dass es auch von SPÖ-Seite "kein Verständnis" für jene gebe, die sich in die "soziale Hängematte flüchten": "Das wollen wir genauso wenig." In den nächsten Wochen werde man sich aber um eine Lösung bemühen, versicherte der Kanzler. Der Zerfall des Mindestsicherungssystems sei jedenfalls "kein Ziel".

Gegen Alleingang

Auch Sozialminister Alois Stöger (SPÖ) will bei der Mindestsicherung eine gemeinsam mit allen Bundesländern vereinbarte Lösung erzielen. Angesprochen auf Aussagen vom niederösterreichischen Landeshauptmann Erwin Pröll (ÖVP), der im "Kurier" mit einem Alleingang gedroht hatte, sollte es keine Deckelung geben, sprach sich Stöger vor dem Ministerrat gegen eine derartige Vorgangsweise aus.

Pröll pocht auf eine bundesweite Deckelung von 1.500 Euro pro Familie und will notfalls eine eigene Lösung in Niederösterreich. Der Minister sieht darin "keine Drohung" und erklärte: "Alle Länder haben die Verantwortung, dass wir ein vernünftiges System aufrechterhalten." Es sei "leicht", Forderungen aufzustellen, bei der andere nicht mitkönnen, meinte Stöger weiter.

Einmal mehr betonte er die Ziele der Mindestsicherung, nämlich Obdachlosigkeit zu verhindern, Kindern Nahrung zu geben, Menschen vom Rand der Gesellschaft in die Mitte zu holen und Slums zu verhindern. Jetzt solle man "nicht kleinkariert" Kosten nachrechnen, verwies Stöger darauf, dass es ohne Mindestsicherung zu einem späteren Zeitpunkt hohe Ausgaben geben würde.

Darauf angesprochen, ob eine neue 15a-Vereinbarung ohne Niederösterreich ausverhandelt werden soll, erklärte der Ressortchef: "Es ist nicht mein Ziel, einzelne Länder nicht drin zu haben." Sein Ziel sei es hingegen, eine gemeinsame Lösung für ganz Österreich zu erreichen. Er hoffe und ersuche daher die Länder, ihre Verantwortung wahrzunehmen.

Nicht zu Lasten der Kinder

Zu der Forderung nach einer Deckelung für Familien erklärte Stöger, dies würde später teuer bezahlt und solche Maßnahmen dürften nicht zulasten der Kinder gehen. Grundsätzlich sei er aber gesprächsbereit, was Maßnahmen zur Erreichung der genannten Ziele betrifft.

Die Armutskonferenz kritisiert inzwischen die "Anti-Mindestsicherungs-Kampagne" der niederösterreichischen ÖVP. Die ÖVP wirbt u.a. damit, dass ein Tischler-Geselle mit Familie weniger Geld zur Verfügung hätte als vergleichbare Mindestsicherungsbezieher. Die Armutskonferenz kritisiert das Beispiel als falsch, weil es nicht berücksichtigt, dass auch der Tischler Anspruch auf weitere Sozialleistungen hat.

"Kampagne mit falschem Beispiel"

Konkret wirbt die VP mit dem Beispiel eines 30-jährigen Tischler-Gesellen mit Frau zwei Kindern, der monatlich nur auf 1.589 Euro netto komme, während eine solche Familie mit Mindestsicherung auf 1.642 Euro netto komme. Slogan: "Wer arbeiten geht, darf nicht der Dumme sein." Die Armutskonferenz verweist jedoch darauf, dass dabei eine Reihe von Sozialleistungen für Berufstätige unterschlagen worden seien, auf die Mindestsicherungs-Bezieher keinen Anspruch hätten.

Tatsächlich hätte der fiktive Tischler in Niederösterreich dank Pendlerförderung, Wohnzuschuss, Heizkostenzuschuss und Alleinverdienerabsetzbetrag sowie Kinderfreibetrag bis zu 770 Euro mehr zur Verfügung als die Mindestsicherungs-Bezieher, so die Armutskonferenz. Inklusive Urlaubs- und Weihnachtsgeld (Mindestsicherung wird nur zwölf Mal ausgezahlt) sowie Familienbeihilfe komme der Tischer somit auf 2.848,55 Euro, die Mindestsicherungs-Bezieher dagegen auf deutlich weniger (2.078,38 Euro inklusive Familienbeihilfe).