Der vorerst vierte Jihadisten-Prozess in Graz hatte vergangene Woche begonnen und ist einen Tag früher als geplant zu Ende gegangen. Angeklagt waren der 23-jährige Sevkret, ein Taxifahrer, und sein Bruder, der noch zur Schule geht. Die beiden Österreicher mit türkischem Migrationshintergrund sind in Graz aufgewachsen. Der ältere reiste im Sommer 2012 nach Ägypten und dann weiter nach Syrien, wo er für die Terrororganisation Islamischer Staat (IS) gekämpft haben soll, so der Vorhalt der Staatsanwaltschaft. Er soll dabei gewesen sein, als ein Dorf überfallen wurde und Schüsse fielen. Dabei wurde er an den Oberschenkeln schwer verletzt. Er reiste im März 2013 zurück nach Österreich.
Dort sei er laut dem Staatsanwalt als Held bei diversen islamischen Glaubensvereinen herumgereicht worden. Zwei Patronen trägt er nach wie vor in seinem Körper mit sich herum. Zudem soll er begonnen haben, seinen jüngeren Bruder zu radikalisieren. Für November 2014 hatten beide die gemeinsame Ausreise in die Türkei geplant, von wo sie dem Ankläger zufolge weiter nach Syrien in den Jihad wollten.
Am letzten Verhandlungstag erklärte der Staatsanwalt in seinem Schlussplädoyer, dass der Tatbestand der Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung sowohl bei Sevkret als auch bei seinem Bruder erfüllt wurde, nämlich mit dem Abflugtermin und dem Kauf der Tickets. Der ältere Beschuldigte wolle nur vortäuschen, dass er davor schon als Helfer für gemäßigte Freie Syrische Armee (FSA) gearbeitet hat: "Mit einer Kalaschnikow?" meinte der Ankläger zynisch.
Die Staatsanwaltschaft könne Sevkret G. nicht nachweisen, dass er in Syrien getötet hat, daher sei er "nur" wegen versuchten Mordes angeklagt, aber das waren sicher keine "Spaßkanonen", mit denen die Bevölkerung umzingelt wurde. Der "Mythos" der Kämpfer werde durch Menschen wie dem Angeklagten weitergetragen. Der Staatsanwalt war überzeugt, dass die vom IS eingenommenen Territorien wieder an die Syrer zurückfallen werden: "Wenn die jetzt in den besetzten Häusern wohnenden Jihadisten vertrieben werden, wohin gehen sie wohl? Wohin gehen die Österreicher, die unten für den IS kämpfen?" Es sei ein "enormes Sicherheitsrisiko", wenn diese Terroristen dann nach Europa flüchten oder radikalisiert nach Österreich zurückkehren.
"Man hört immer, sie sollen halt hinuntergehen (nach Syrien) und dort umkommen", erklärte der Ankläger weiter, aber "es hat keiner hinunterzugehen". Als Österreicher hätten beide "nichts im syrischen Bürgerkrieg verloren".
Die beiden Verteidiger dagegen wollten keinen Beweis für die Schuld ihrer Mandanten erkennen, es handle sich nur um Indizien. Die Anklage stütze sich auf eine von acht Vernehmungen des 23-jährigen Taxifahrers und bei der sei der Beschuldigte unter Druck gesetzt worden. Der jüngere Bruder - er war einmal mit einem Jihad-T-Shirt in die Schule gekommen - war für den zweiten Verteidiger sowieso ein "ganz normaler 17-Jähriger", der einen Sprachkurs in der Türkei machen wollte. Das habe nichts mit Terrorismus zu tun: "Es ist zu wenig, um zu bestrafen."
Nach knapp fünfstündiger Beratungszeit sind die Geschworenen den Argumenten des Staatsanwalts nur teilweise gefolgt. Sie hielten den 23-Jährigen einstimmig für schuldig, für den IS gekämpft und dabei versuchten Mord und schwere Nötigung begangen zu haben. Seinen jüngeren Bruder soll er aber nicht angeworben haben. Dieser wurde einstimmig für nicht schuldig befunden.