Sozialminister Alois Stöger (SPÖ) würde es bevorzugen, wenn die Mindestsicherung in die Kompetenz des Bundes wandert. Sollten die Länder das wünschen, würde er das "sehr begrüßen", meinte der neue Ressortchef im APA-Interview zu entsprechenden Überlegungen der niederösterreichischen Soziallandesrätin Barbara Schwarz (ÖVP).

Mindestsicherungen kürzen?

Nichts anfangen kann Stöger dagegen mit Ideen aus Oberösterreich, Asylberechtigten die Mindestsicherung zu kürzen sowie den Forderungen der ÖVP, einen Deckel für die Leistung in Höhe von 1.500 Euro einzuführen: "Das trifft nur die Kinder." Diesen würden Perspektiven genommen: "Mir graust vor Vorschlägen, die auf der Oberfläche dahinschwimmen."

Keinen Handlungsbedarf sieht der Sozialminister offenbar auch, was eine weitere Stärkung der Sach- gegenüber den Geldleistungen angeht. Schon jetzt sei es nämlich den Ländern möglich, Teile der Mindestsicherung in Sachleistungen zu vergüten, etwa wenn die Gemeinde Wohnraum zur Verfügung stelle. Auch bei Menschen, die nicht mit Geld umgehen können, zum Beispiel Spielsüchtige oder Alkoholiker, werde es sinnvoll sein, nicht alles auszuzahlen.

Durchschnittliche Verweildauer bei 8,2 Monaten

An sich findet der Minister, dass die Mindestsicherung ihren Zweck, die Menschen wieder in den Arbeitsmarkt zu führen, durchaus erfüllt. Schließlich betrage die durchschnittliche Verweildauer nur 8,2 Monate. Damit werde auch volkswirtschaftlich vernünftig gehandelt. Zudem werde auf die Maßnahme ja auch gesetzt, weil man nicht wolle, dass rund um die Städte Slums entstehen, wo nachher riesige Folgekosten drohten.

Mehr Mitsprache des Bundes kann sich Stöger auch bei der Pflege vorstellen: "In diesen Fällen halte ich eine Bundeskompetenz für sinnvoll." Skeptisch ist der Minister gegenüber einer Pflegeversicherung, vielmehr bevorzugt er eine steuerliche Finanzierung, wie sie schon jetzt (befristet) über den Pflegefonds passiere. Für ihn handelt es sich dabei um eine Wertschöpfungsabgabe, sei doch die Bankenabgabe für den Bereich der Pflegefinanzierung reserviert worden.

Pensionsreform

    Noch nicht wirklich in die Karten blicken lässt sich Stöger, was die Pensionsreform angeht, über die bis 29. Februar in der Koalition entschieden sein soll. Was dem Sozialminister jedenfalls fehlt, sind konkrete Vorschläge der ÖVP. Man wisse nicht, was die Volkspartei im Koffer habe, die Kleider von der letzten Reise oder schon frische.

    Einen Automatismus, dass mit steigendem Lebensalter auch die diversen Schrauben im Pensionssystem bis hin zum Antrittsalter gedreht werden müssen, lehnt Stöger jedenfalls ab: "Manche wollen ja, dass niemand mehr politische Verantwortung für Kürzungen übernimmt." Wer glaube, alles in eine Formel gießen zu können, übernehme sich oder habe die Komplexität des Systems nicht erkannt: "Davon halte ich gar nichts."

    Viel mehr halte er von neuen Ideen, wie man die Pensionen auf Dauer in einer Höhe sichern könne, die Armut verhindere. Nachschärfen will Stöger unter anderem bei der beruflichen Rehabilitation. Grundsätzlich erfreulich sei, dass schon mit den bisher gesetzten Maßnahmen das faktische an das gesetzliche Antrittsalter angenähert worden sei.

    Wie erwartet ein klares Nein Stögers kommt zu einer vorzeitigen Anhebung des Frauenpensionsalters. Hier gebe es klare, in der Verfassung festgeschriebene Regelungen. Wenn es gelinge, Frauen Arbeitsplätze zur Verfügung zu stellen und diese gesund seien, könnten sie ja auch jetzt schon länger als bis 60 arbeiten: "Da braucht es keine gesetzliche Regelung."

    Stöger will die Sozialpolitik den aktuellen Entwicklungen anpassen: "Wir kommen bei Industrie 4.0 an und es braucht auch eine Sozialpolitik 4.0." Wesentlich sei dabei, dass man mit nationalen Lösungen immer weniger Gestaltungsraum habe, man daher international abgestimmt vorgehen müsse.

    Angesichts der hohen Arbeitslosigkeit in Europa bleibt für den Minister das Thema Arbeitszeit-Verkürzung bzw. Überstunden-Vermeidung jedenfalls auf der Agenda. Derzeit würden nämlich viele vor lauter Arbeit gar nicht mehr wissen, wie sie ihr Leben gestalten sollen, während bei anderen die Arbeitszeit bei null stehe.

    An eine gesetzliche Arbeitszeit-Verkürzung denkt Stöger dabei vorerst nicht. Historisch sei es immer so gewesen, dass zunächst Kollektivverträge geändert worden seien, später ein General-KV und erst danach seien im Arbeitszeitgesetz neue Regeln aufgestellt worden: "Dieser Weg ist der richtige."

    Abgelehnt werden vom Minister so manche Rezepte der Arbeitgeber, wie man zu mehr Beschäftigung kommen könnte, etwa über eine Arbeitszeit-Flexibilisierung. Es gebe nichts flexibleres als die Arbeitszeit in Österreich, findet Stöger: "Die Woche hat 168 Stunden - mehr werden es nicht und es wird diese 168 Stunden gearbeitet, da braucht man nur in ein Krankenhaus oder in die Stahlindustrie gehen." Den Arbeitgebern gehe es vielmehr darum, Zuschläge nicht mehr entsprechend ausbezahlen zu müssen.

    Keine Unterstützung Stögers gibt es auch für immer wiederkehrende Überlegungen, an Sonntagen die Läden öffnen zu dürfen. "Die Gesellschaft braucht Zeiten, die konsumfrei sind." Da gehe es um grundsätzliche Fragen wie jene, wann sich eine Gesellschaft Ruhe nehme.

    Sicher sein können sich die Sozialpartner, dass sie auch unter dem neuen Sozialminister gehört werden: "Ich binde gerne Menschen ein", betont der aus der Metallergewerkschaft stammende Ressortchef. Es sei auch durchaus sinnvoll, eng abgestimmt mit den Sozialpartnern zu arbeiten. Dass ein Sozialminister in deren Würgegriff ist, sieht Stöger nicht so. Vielmehr handle es sich um Experten, mit denen man Fragen konstruktiv angehen könne.

    Skeptisch ist der Ressortchef, was Überlegungen von Finanzminister Hans Jörg Schelling (ÖVP) angeht, die Sozialpartner zu übergehen, wenn sie innerhalb gewisser Fristen keine Lösung zusammenzubringen. Fristen könnten zwar positiv sein, doch gibt Stöger zu bedenken: "Wenn ich in der Sozialpartnerschaft kein Ergebnis habe, ist die Wahrscheinlichkeit, dass ich auch im Parlament keines habe, sehr groß."