Das Erstaunliche an der Verständigung ist, dass die Regierung nicht weiß, ob diese Obergrenze, die von der SPÖ als Richtwert bezeichnet wird, rechtlich überhaupt möglich ist. Dies soll ein Gutachten klären - angefragt wurden dem Vernehmen der Europarechtler Walter Obwexer und der Verfassungsjurist Bernd-Christian Funk. Wenig Chancen gibt dem Projekt der Völkerrechtler Manfred Nowak. Er sieht die Obergrenze nur als "politische Zielvorgabe", wie er dem "profil" sagte: "Völkerrechtlich ist eine Asylobergrenze nicht durchführbar."

Kanzler Werner Faymann betonte, dass alles "selbstverständlich verfassungsrechtlich und europarechtlich in Ordnung sein" müsse: "Eine Maßnahme, die sich abseits unserer Rechtsordnung bewegt, ist in unserem Rechtsstaat Amtsmissbrauch." Vom SPÖ-Chef angekündigt wurde bereits eine massive Ausdehnung der Kontrollen an den Grenzen, die auch auf den Brenner, also den Übergang nach Italien, ausgeweitet werden könnten.

Argumentiert wurde die Obergrenze damit, dass der Flüchtlingsstrom mit 90.000 Anträgen im Vorjahr eine "dynamisch-dramatisch Entwicklung" sei, die das System überfordere, wie Mitterlehner formulierte. Faymann bezeichnete diese Vorgehensweise als "Notlösung" und "Plan B", der auch ein "Aufrütteln" der EU bezwecke: "Wir können in Österreich nicht alle Asylwerber aufnehmen."

Auch die Flüchtlinge selbst sollen abgeschreckt werden, gerade Österreich als Zielland auszuwählen. Daher wird es Verschärfungen im Asylrecht sowie möglicherweise Einschränkungen bei Sozialleistungen geben. Ob es hier Benachteiligungen bei der Mindestsicherung geben kann, soll bis Februar rechtlich abgeklärt werden.

Mikl-Leitner nannte am Mittwochabend zwei Möglichkeiten, was passiere, wenn die Asylwerber-Obergrenze erreicht werde. Österreich könnte bei einer Überschreitung der Grenze nach schwedischem Vorbild Asyl-Anträge annehmen, sie aber erst nach Jahren bearbeiten und die Asylwerber in dieser Zeit in Lagern notversorgen. Die zweite Möglichkeit seien Rückschiebungen in sichere Drittstaaten, aus denen die Asylwerber gekommen sind, so die Innenministerin.

Bereits kommende Woche soll der Ministerrat "Asyl auf Zeit", das eine Heimkehr nach baldigem Kriegsende zur Regel machen soll, sowie eine Verschärfung des Familiennachzugs beschließen. Letzterer ist übrigens auch von der Obergrenze betroffen. Anträge auf Familienzusammenführung und Asylansuchen werden zusammengezählt.

Konkret ist vorgesehen, dass im Jahr 2016 maximal 37.500 Menschen neu aufzunehmen sind, 2017 dann 35.000, 2018 sinkt die Zahl auf 30.000, ehe 2019 der Endwert von 25.000 erreicht werden soll. In Summe wären das bis dahin also 127.500 Asylwerber - dies entspricht etwa 1,5 Prozent der Bevölkerung.

Wiens Bürgermeister Michael Häupl (SPÖ) pochte bei der Pressekonferenz darauf, dass alle Maßnahmen rechtlich halten. Man könne nicht von anderen Staaten Rechtsstaatlichkeit verlangen, wenn man sie selbst nicht einhalte. Als Positiv-Maßnahme nannte der Stadtchef, dass Deutschkurse künftig schon bei Asylwerbern verpflichtend beginnen müssten.

Dass Maßnahmen gesetzt werden müssten, betonte der Vorsitzende der Landeshauptleute-Konferenz Wilfried Haslauer (ÖVP). Noch einmal so ein Jahr wie 2015 sei nicht zu bewältigen, meinte der Salzburger Landeshauptmann. Daher sei es nun die letzte politische Chance gewesen, das Gemeinsame vor das Trennende zu stellen, "damit wir nicht ab Frühsommer untergehen".

Regelmäßig will man sich auch mit den Nachbarstaaten, speziell Deutschland und Slowenien, in Detailgesprächen abstimmen und allenfalls auf eine Veränderung der Flüchtlingsströme reagieren. Konkret wird in den Raum gestellt, dass auch am Brenner Kontrollen etabliert werden könnten, so das nötig sein sollte.

Die Grünen nahmen das Ergebnis des Asylgipfels wie erwartet nicht positiv auf. "Die österreichische Bundesregierung kann die Menschenrechte nicht abschaffen", mahnte Klubobfrau Eva Glawischnig am Mittwoch zu "Besonnenheit und Vernunft". Auch die NEOS sehen in den Regierungsmaßnahmen keinen Sinn. "Wie absurd ist es eigentlich, dass jetzt auch die SPÖ für unhaltbare Vorschläge wie einer Obergrenze zu haben ist", fragte sich NEOS-Menschenrechtssprecher Nikolaus Scherak. Für ihn ist das Fixieren einer Obergrenze rein rechtlich nicht möglich.

Der Asylgipfel ist nach Meinung der Freiheitlichen "wie erwartet" gescheitert. "Das Ergebnis ist ein Weiterwursteln wie bisher nur eben jetzt auf niedrigerem Niveau", erklärte FPÖ-Obmann Heinz-Christian. Statt über eine Verteilung der Migrationsströme müsse man über die Verhinderung des Zuzuges von Wirtschaftsflüchtlingen diskutieren.

In Deutschland gab es gemischte Reaktionen auf den Beschluss der österreichischen Regierung. Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel sträubt sich weiter gegen die Festlegung einer nationalen Obergrenze in der Flüchtlingspolitik, will aber in drei Wochen eine "Zwischenbilanz" ziehen. Merkel sagte am Mittwoch vor der CSU-Landtagsfraktion in Wildbad Kreuth, Mitte Februar wolle sie "sehen, wo wir stehen". Was passiert, wenn die Zahl der Flüchtlinge nicht weiter sinkt, ließ Merkel offen.

"Das ist ein Hilferuf von Österreich. Er macht klar: Deutschland, Schweden und Österreich können die Flüchtlinge nicht alleine aufnehmen", sagte SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann. Stephan Mayer (CSU), innenpolitischer Sprecher der Unionsfraktion, begrüßte den Schritt Österreichs als "deutlichen Fingerzeig, dass auch wir nicht mehr so weiter machen können wie bisher". CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer forderte die deutsche Bundesregierung auf, der österreichischen Festlegung einer Flüchtlings-Obergrenze zu folgen. Die CSU fordert für Deutschland eine Obergrenze von 200.000 Flüchtlingen. Grünen-Parteichefin Simone Peter nannte die Entscheidung Österreichs einen "Ausdruck von Mut- und Ratlosigkeit".

Ob sich das Vorhaben der österreichischen Regierung realisieren lässt, steht in den Sternen. Der Präsident des EU-Parlaments, Martin Schulz, äußerte Verständnis für die schwierige Situation Österreichs und den heutigen Beschluss, merkte aber an: "Niemand, der vor dem IS oder den Assad-Bomben flieht, wird abgehalten, wenn jemand sagt, wir haben Obergrenzen."

Nach Österreich erwägt unterdessen auch Slowenien die Einführung einer Obergrenze für die Flüchtlinge. Dies nannte der slowenische Außenminister Karl Erjavec als eine der möglichen Maßnahmen, mit denen Ljubljana auf die Beschlüsse des Flüchtlingsgipfels reagieren wird. Konkrete Maßnahmen werde die slowenische Regierung am Donnerstag beschließen, kündigte Erjavec laut Medienberichten an.