Die Regierungsspitze erwartet sich von der Verschärfung des Asylrechtes, das ein "Asyl auf Zeit" bringen soll, vor allem eine Signalwirkung - und zwar sowohl an die eigene Bevölkerung als auch an jene, die sich eine Flucht nach Europa überlegen. Mit unmittelbaren Auswirkungen auf die Zahl der Flüchtlinge rechnen Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) und Vizekanzler Reinhold Mitterlehner (ÖVP) nicht.
"Ich erwarte mir nur - aber auch das ist wichtig -, der Bevölkerung zu zeigen, Asyl ist etwas auf Zeit Bestimmtes", sagte Faymann. Es gehe darum, zu zeigen, dass die Regierung dies auch ernst nehme. Mitterlehner sagte - wie schon zuvor Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) - , er sehe in der Maßnahme, die rückwirkend ab Mitte November gelten soll, einen Fortschritt, "weil klar dokumentiert wird, dass das Asylrecht auf seine Kernelemente ausgerichtet wird". Es gehe darum, eine Trennlinie zu ziehen zwischen jenen, die zu schützen sind und jenen, die aus wirtschaftlichen Gründen nach Europa kommen.
Dass künftig nach drei Jahren auf jeden Fall der Asylgrund überprüft werden soll (es sich um eine Soll -und nicht wie bisher nur eine Kann-Bestimmung handeln wird), bedeute zwar einen enormen Verwaltungsaufwand, sei aber "die einzige Möglichkeit, ein Signal abzugeben, dass eine bestimmte Belastungsgrenze erreicht ist", sagte der ÖVP-Chef. Es gelte auch, jenen, die sich eine Flucht nach Europa überlegen, zu signalisieren, dass dieser Schritt keine sichere Sache sei, "sondern mit einem Rückführungsrisiko verbunden ist".
Das Rote Kreuz erwartet, dass durch die Einschränkung beim Familiennachzug, wie sie in der neuen Asylnovelle vorgesehen ist, die illegale Einreise forciert wird. Überhaupt seien die geplanten Verschärfungen unter dem Gesichtspunkt der Humanität "nicht ideal", meinte Rotes Kreuz-Präsident Gerald Schöpfer im Gespräch mit der APA.
Als Zusatzproblem nennt er, dass durch die künftig dreijährige Wartezeit viele unbegleitete Minderjährige aus jenem Alter herausrutschen, wo sie ihre Eltern noch nachholen können. Dies berge die Gefahr, dass sich damit noch jüngere Kinder auf die Reise nach Europa machen würden.
Auch die Caritas kritisiert den Regierungsentwurf zur Verschärfung des Asylrechts scharf. Die erschwerten Bedingungen beim Familiennachzug nennt Caritas-Präsident Michael Landau "zynisch". Damit würden Flüchtende dazu gezwungen, die Dienste von Schleppern in Anspruch zu nehmen. Falls die Gesetzesnovelle Signalwirkung für Flüchtlinge haben solle, erst gar nicht nach Europa oder nach Österreich zu kommen, dann werde dieses Ziel nicht erreicht werden, ist der Caritas-Präsident überzeugt: "Menschen kommen, um hier Schutz vor Verfolgung und Krieg zu finden."
Faymann berichtete auch von intensiven Verhandlungen mit der Türkei, um die Sicherung der EU-Außengrenzen voranzutreiben. "Wir wollen, dass an den europäischen Außengrenzen Ordnung herrscht." Asyl sollte grundsätzlich "nicht erst irgendwo geschehen", sondern an den Außengrenzen. Die EU werde sich finanziell auch an einer besseren Versorgung der Flüchtlinge in der Türkei beteiligen, es gehe dabei um eine Größenordnung von zwei bis drei Mrd. Euro.
Auch müsse man sich auf internationaler Ebene mit der Frage beschäftigen, wie man Flüchtlingen, die sich via Schlepper "selbstständig machen", das Leben rettet und dann auch dafür sorgt, dass diese wieder in die Aufnahmezentren in der Türkei oder in Griechenland zurückgebracht werden. Und hinsichtlich der Verteilung der Flüchtlinge innerhalb der EU brachte Faymann einmal mehr auch finanzielle Konsequenzen für jene Staaten ins Spiel, die keine bzw. nur wenige Flüchtlinge aufnehmen wollen: "Wer unsolidarisch ist, der braucht nicht länger auf Solidarität pochen", sprach er die Möglichkeit an, EU-Förderungen im Zuge des nächsten Finanzrahmens zu kürzen.
Angesprochen auf das Durchgriffsrecht des Bundes zur Schaffung von Quartieren für Asylwerber, meinte Faymann, hier werde die Innenministerin bei der ebenfalls am Dienstag stattfindenden Landeshauptleutekonferenz in Oberösterreich noch einmal an die Verantwortung der Landeshauptleute appellieren, die entsprechenden Quartiere zu schaffen. Man gehe nach wie vor von einem Bedarf von 80.000 bis 85.000 Plätzen für Asylwerber bis Jahresende aus, derzeit halte man bei 63.000 Quartieren.
Er betonte, dass diese Plätze nichts mit den Transitquartieren zu tun haben. Davon gibt es laut dem Kanzler "theoretisch" 20.000, einige davon müssten noch winterfest gemacht werden. Von einem großen Rückstau der Flüchtlinge, die nach Deutschland weiterreisen, wollte er nicht sprechen: "Wenn rund 400.000 Menschen seit September durch Österreich nach Deutschland gefahren sind, und der Rückstau beträgt rund 9.000, dann ist von schlechter Zusammenarbeit mit Deutschland nicht die Rede."
Mitterlehner sagte dazu, es gebe das Problem, dass Deutschland "im Zeitverlauf" weniger aufgenommen hat als nach Österreich gekommen sind. Er erwarte sich, dass das "Grenzmanagement" mit Deutschland besser ausgerichtet wird, auch mit Slowenien.
Gefragt nach der geplanten "technischen Sperre" am Grenzübergang Spielfeld sagte Mitterlehner, die Möglichkeiten würden derzeit vom Innenministerium geprüft. Sobald hier ein Ergebnis vorliegt, werde die Regierung eine Entscheidung treffen, derzeit gebe es aber noch keinen Vorschlag.
Die Zahl der nach Bayern kommenden Flüchtlinge war auch in der Nacht auf Dienstag hoch. In der Früh warteten an den niederbayerischen Grenzübergängen auf österreichischer Seite bei Wegscheid 1.389 Menschen auf ihre Einreise nach Deutschland, bei Simbach waren es 400 und bei Neuhaus am Inn 763 Menschen. Am Montag überquerten laut deutscher Bundespolizei 5.800 Flüchtlinge die Grenze.
"Von einer entspannten Lage kann nicht die Rede sein", sagte Bernd Jäckel, Sprecher der deutschen Bundespolizeiinspektion Freyung. Der am Montag eingeführte Bus-Shuttle von Schärding in Oberösterreich nach Neuhaus am Inn war am Dienstag zunächst nicht im Einsatz, weil der Pendelbus einen Defekt hatte.
Seit Montag in der Früh müssen die Flüchtlinge am Grenzübergang von Schärding nach Neuhaus nicht mehr auf der alten Innbrücke warten, ehe es zu Fuß zur Sammelstelle weitergeht. Stattdessen werden sie mit Bussen direkt zu den Zelten auf deutscher Seite gebracht. Dies soll verhindern, dass die Menschen stundenlang bei Kälte auf ihre Einreise warten müssen. In der Nacht auf Dienstag hatte es in der Region Minusgrade. Etwa 50 Asylsuchende sollen stündlich aus dem österreichischen Grenzort zur Sammelstelle gebracht. "Das geht reibungslos", sagte Jäckel über das neue System.
In der Tiroler Grenzstadt Kufstein befanden sich am Dienstagvormittag rund 500 Flüchtlinge in Notunterkünften. Sie wollen alle nach Deutschland weiterreisen, teilte die Polizei mit. Die Flüchtlinge werden im Laufe des Tages "von der deutschen Polizei sukzessive am Grenzübergang Kufstein/Kiefersfelden geregelt übernommen", hieß es. Am Montagabend waren laut Angaben der Exekutive 450 Flüchtlinge aus dem Süden Österreichs in Tirol erwartet worden. Diese sollten "gemäß der Abmachung geregelt" in den Nachtstunden von den deutschen Beamten übernommen werden.
Eine relativ stabile Situation meldete die Exekutive am Dienstagvormittag vom steirischen Grenzübergang Spielfeld zu Slowenien. Rund 2.700 Menschen verbrachten die Nacht in den beheizten Großzelten, die rund 4.000 Personen Platz bieten. Ihr Weitertransport in Transitquartiere bzw. Richtung Deutschland lief in der Früh an. Seit Montagabend führte das Rote Kreuz rund 180 Versorgungen durch.