Viele Jahre hat Rakhat Aliyev Österreichs Justiz und Politik beschäftigt. Nun ist der kasachische Ex-Botschafter tot. Der 52-Jährige wurde am Dienstag erhängt in seiner Einzelzelle in der Wiener Justizanstalt Josefstadt aufgefunden. Die Causa um den wegen Doppelmordes angeklagten Ex-Diplomaten kann aber nicht ad acta gelegt werden. Vielmehr tun sich nun viele Fragen rund um seinen Tod auf.
Die Familie von Aliyev (Alijew) galt als einflussreich in Kasachstan, sein Vater war ein Minister in der ehemaligen Sowjetrepublik. Auch pflegte er ein gutes Verhältnis mit der ebenfalls vermögenden Familie von Nursultan Nasarbayev (Nasarbajew). Im Jahr 1983 heiratete Aliyev dessen Tochter Dariga, seine drei Kinder stammen aus dieser Ehe.
Sechs Jahre später wurde Nasarbayev zum Präsidenten des zentralasiatischen Staates gewählt. Dem studierten Ökonom und Mediziner Aliyev wurden daraufhin mehrere politische Ämter zugeteilt, unter anderem das des Leiters der Finanzpolizei und des stellvertretenden Leiters des kasachischen Geheimdienstes. Letzteren Posten musste er 2001 ohne öffentliche Begründung abgeben.
Neben dem ehemaligen britischen Premier Tony Blair holte Nasarbayev den einstigen Präsidenten der EU-Kommission Romano Prodi und den früheren österreichischen Bundeskanzler Alfred Gusenbauer (SPÖ) in seinen Beraterstab. Gusenbauer wurde später vorgeworfen, das kasachische Regime mit vertraulichen Regierungsdokumenten im Fall Aliyev versorgt zu haben. Die Ermittlungen wurden aber 2014 eingestellt.
Ab 2002 veränderte sich das gute Verhältnis zwischen Aliyev und Nasarbayev schlagartig. Aliyev fiel in Ungnade bei dem autokratisch herrschenden Präsidenten. Unter dem Vorwurf eines Putschversuches wurde er als Botschafter nach Österreich geschickt.
Dass Nasarbayev in der öl- und gasreichen Präsidialrepublik bereits seit Sowjetzeiten mit harter Hand regiert, ist kein Geheimnis. Aktivisten warfen ihm mehrfach die Verletzung von Menschenrechten, Unterdrückung, die Einschüchterungen Andersdenkender sowie Korruption und Günstlingswirtschaft vor.
Gerne wird angesichts des Ressourcen-Reichtums international über diese Missstände hinweggesehen. Das Vermögen Nasarbayevs wird auf mehrere Milliarden Euro geschätzt, Aliyev selbst soll Hunderte Millionen Euro besitzen, schrieb die deutsche Wochenzeitung "Die Zeit" 2013.
Drei Jahre nach dem angeblichen Putschversuch kehrte Aliyev als erster Vize-Außenminister nach Kasachstan zurück. Die Rückkehr in die kasachische Politik währte jedoch nicht lange. Kurz nach dem Verschwinden zweier Manager der kasachischen Nurbank, dessen Gründer und Mehrheitseigentümer Aliyev war, wurde er als Botschafter wieder nach Österreich geschickt.
Dort sollte er für einige Jahre bleiben. Zwei Auslieferungsanträge lehnte die österreichische Justiz wegen der Menschenrechtssituation in Kasachstan ab. Im Jahr 2007 wurde Aliyev ohne seine Zustimmung von der Präsidententochter Dariga geschieden. Ein kasachisches Strafgericht verurteilte ihn ein Jahr später wegen der Gründung einer mafiösen Vereinigung und Entführung zu einer Gefängnisstrafe von 20 Jahren. Für den angeblichen Putschversuch bekam er vom Militärgericht weitere 20 Jahre Haft aufgebrummt.
Die Vorwürfe gegen Aliyev häuften sich, auch in Österreich. Ein Wiener Polizist wurde wegen Weitergabe von Informationen an einen mutmaßlichen kasachischen Spion verurteilt. Der Wiener Anwalt Gabriel Lansky, Vertreter der Witwen der beiden später tot aufgefundenen Manager der Nurbank, warf dem Ex-Botschafter Geldwäsche vor. Im Jahr 2011 begann dann auch die deutsche Justiz, in derselben Causa gegen Aliyev zu ermitteln.
Im gleichen Jahr begannen die österreichischen Behörden Ermittlungen gegen Aliyev wegen Mordes an den beiden Bankmanagern. Seiner Verhaftung in Österreich entging Aliyev zeitweilig durch eine Flucht nach Malta. Erst im Juni vergangenen Jahres stellte er sich der Polizei in Österreich. Er lebte zwischenzeitlich offiziell unter dem Namen seiner zweiten Ehefrau, Elnara Shorazova, als Rakhat Shoraz.
Die Staatsanwaltschaft in Wien brachte im Dezember 2014 Anklage wegen Doppelmordes gegen Aliyev ein. Kurz zuvor berichtete das Magazin "Datum", dass eine PR-Agentur im Auftrag der Rechtsanwaltskanzlei Lansky, Ganzger und Partner jahrelang in Internetforen Negativpostings gegen Aliyev verfasst haben soll.