Die nun von der Justiz beendete Inseratenaffäre beschäftigt die Innenpolitik seit rund zweieinhalb Jahren. 2011 wurden die Vorwürfe laut, Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) habe sich in seiner Zeit als Infrastrukturminister (2007/08) mit teuren Inseratenkampagnen die Gunst des Zeitungsboulevards erkauft und die Rechnungen dafür von ÖBB und Asfinag bezahlen lassen. Die FPÖ hatte einen Monat später mit einer Anzeige die Justiz eingeschaltet. Im Folgenden eine Chronologie der Causa:
2007 bis 2010: Immer wieder gibt es Kritik an Werbekampagnen von Regierungsmitgliedern. Auch ÖBB- und Asfinag-Inserate spielen in der politischen Auseinandersetzung eine Rolle. In der Zeitungsbranche regt sich in der Folge Widerstand gegen die Inseratenvergabepraxis von Regierung, Ministerien und staatsnahen Betrieben. Wiener Boulevardmedien liefern sich verbale Gefechte wegen der Werbeetats, von Bundesländerzeitungen kommt der Vorwurf der einseitigen Vergabe von Anzeigen, um sich so die Gunst des Boulevards und redaktionell genehme Berichterstattung zu erkaufen.
Mai 2011: Medien berichten, dass Faymann in seiner Zeit als Infrastrukturminister eine 500.000 Euro teure Werbekampagne in der "Kronen Zeitung" bestellt haben soll, die von den ÖBB bezahlt wurden. Bote für Faymanns Inseratenwünsche soll demnach sein Staatssekretär Josef Ostermayer (S) gewesen sein. Faymann und Ostermayer weisen die Vorwürfe zurück.
Juni 2011: Die FPÖ zeigt Faymann und Ostermayer im Zusammenhang mit Inseratenaufträgen bei ÖBB und Asfinag wegen des Verdachts der Untreue bei der Staatsanwaltschaft an.
August 2011: Die Wiener Staatsanwaltschaft bestätigt Ermittlungen wegen des Verdachts des Amtsmissbrauchs und der Untreue gegen Faymann und Ostermayer. Das Bundeskanzleramt teilt unterdessen mit, dass der Bundeskanzler rund 2,4 Millionen Euro jährlich in die großen Boulevardblätter steckt. Insgesamt gibt das Kanzleramt knapp vier Millionen für Inserate aus.
September 2011: Ex-ÖBB-Chef Martin Huber erklärt bei einer Einvernahme im Bundesamt für Korruptionsbekämpfung laut Medienberichten, dass Faymann und Ostermayer Druck auf die Inseratenvergabe der ÖBB ausgeübt hätten. Auch von Job-Drohungen ist die Rede. Nach und nach sickern weitere für Faymann heikle Unterlagen durch. Faymann und Ostermayer weisen die Vorwürfe einmal mehr zurück. Nachdem aber auch die ÖVP "unglaublichen Aufklärungsbedarf" sieht, einigen sich die Parlamentsparteien auf einen Mega-Untersuchungsausschuss zu Affären im staatsnahen Bereich, in dem auch die Inseratenvergabe Thema ist.
Oktober 2011: Weitere Hinweise und Aktenvermerke kommen ans Licht der Öffentlichkeit. Unterdessen verhandeln die Regierungsparteien ein neues Medientransparenzgesetz, das die Inseratenvergabepraxis von Regierung, Ministerien, Körperschaften und staatsnahen Betrieben transparenter macht und Richtlinien für die Abwicklung von Werbekampagnen enthält.
Dezember 2011: Das Medientransparenzgesetz wird im Parlament beschlossen.
Februar 2012: Die Staatsanwaltschaft befragt Faymann und Ostermayer. Über die Inhalte der Befragung durch die Korruptionsermittler wird zunächst nichts bekannt.
März 2012: Die Staatsanwaltschaft Wien schließt ihre Ermittlungen gegen Faymann und Ostermayer ab. Ein Vorhabensbericht geht an die Oberstaatsanwaltschaft Wien. Die FPÖ erhebt unterdessen neue Vorwürfe und übermittelt zum Themenkomplex Asfinag-Inserate weitere Unterlagen an die Staatsanwaltschaft. Medien berichten über Einvernahmeprotokolle von Befragungen ehemaliger ÖBB-Manager.
April 2012: Die Ermittlungen gegen Faymann und Ostermayer werden vorerst nicht eingestellt. Die Oberstaatsanwaltschaft Wien folgt zwar dem Vorhabensbericht der Staatsanwaltschaft, in dem die Verfahrenseinstellung vorgeschlagen wurde, in wesentlichen Teilen, hält aber weitere Erhebungen für notwendig. Ein Sachverständiger soll die ÖBB-Kampagne in der "Kronen Zeitung" überprüfen, den Werbewert erheben und feststellen, ob den ÖBB ein finanzieller Schaden entstanden ist. Faymann und Ostermayer sehen die Vorwürfe im Wesentlichen entkräftet.
Juli 2012: Das VP-Justizministerium erteilt die Weisung, die Ermittlungen gegen Faymann zu einem bereits abgeschlossenen Punkt wieder aufzunehmen. Konkret sollen die Untersuchungen um die Inseraten-Vergabe der ASFINAG aufgerollt beziehungsweise umfassender geführt werden. Die damals verantwortlichen Manager der Straßenbau-Gesellschaft sollen noch einvernommen werden.
August 2012: In verschiedenen Medien tauchen die Einvernahmeprotokolle von Faymann und Ostermayer auf. Der Bundeskanzler soll dabei erklärt haben, dass er die umstrittene ÖBB-Kampagne gemeinsam mit dem ehemaligen "Krone"-Herausgeber Hans Dichand eingefädelt habe. Das angeschlagene Image der ÖBB sei ihm ein Anliegen gewesen. Zwei Gutachten sehen unterdessen keinen Schaden für die ÖBB. Neue Vorwürfe tauchen auf. Faymann und Ostermayer sollen Inseratenaufträge sogar ohne Rücksprache mit den betroffenen Staatsunternehmen erteilt haben. Die SPÖ weist die Anschuldigungen zurück, die ÖVP sieht einen "Skandal erster Rangordnung" und will Faymann und Ostermayer vor dem U-Ausschuss sehen. Hinter den Kulissen blockiert die SPÖ jedoch eine Ladung Faymanns. Die Verhandlungen über die Zeugenladungen im U-Ausschuss platzen.
September 2012: Obwohl wieder neue Vorwürfe auftauchen, steuert der U-Ausschuss just zu dem Zeitpunkt, als er sich mit der Inseratenaffäre beschäftigen soll, auf sein abruptes Ende zu. Die ÖVP, die im Zuge der Inseratenaffäre für Faymann belastende Unterlagen an Medien weitergespielt hat, macht nun doch wieder gemeinsame Sache mit dem Koalitionspartner. Mit einem Fristsetzungsantrag bereiten sie das Ende des Ausschusses vor.
Oktober 2012: Der U-Ausschuss beendet seine Arbeit.
Jänner 2013: Die Staatsanwaltschaft sichert neue Akten von ÖBB, Asfinag und Infrastrukturministerium.
Juni 2013: Die Staatsanwaltschaft Wien schließt die Ermittlungen ab.
Juli 2013: Der Vorhabensbericht langt zur Prüfung im Justizministerium ein.
5. November 2013: Die Staatsanwaltschaft Wien teilt die Einstellung der Verfahren gegen Ostermayer und Faymann mit. Zuvor wurde schon ein Verfahren gegen Infrastrukturministerin Doris Bures (SPÖ) ebenfalls wegen umstrittener Inseratenaufträge eingestellt.