Nicht nur, aber eben auch in Österreich, reiht sich seit dem Herbst eine wirtschaftliche Hiobsbotschaft an die andere. An der Spitze des Eisbergs geraten prominente Unternehmen in Schieflage, jüngst etwa der oberösterreichische Motorradhersteller KTM, der mit Milliardenschulden in die Insolvenz schlittert. 3.600 Beschäftigte samt Familien bangen um ihre Jobs. Außerhalb des großen Scheinwerferlichts kämpfen zahllose kleinere und mittlere Unternehmen.

Das setzt die laufenden Koalitionsverhandlungen zwischen ÖVP, SPÖ und Neos zusätzlich unter Druck. Bisher standen Fragen der Budgetkonsolidierung im Fokus, muss die künftige Regierung doch einen Konsolidierungsbedarf von rund 15 Milliarden Euro stemmen, um den Haushalt wieder ins Lot zu bringen und ein Defizitverfahren zu verhindern. Dies unter dem Damoklesschwert eines dritten Rezessionsjahres und einer erneuten Teuerungswelle bei den Energiekosten.

7.000 Insolvenzen im heurigen Jahr

Doch das reicht längst nicht mehr, rollt doch eine Insolvenzlawine durch das Land. Gerhard Weinhofer, Geschäftsführer von Creditreform, nennt als Grund einen toxischen Mix aus rückläufigen Exporten, einbrechendem Binnenkonsum, hohen Kosten bei Löhnen, Energie und Material sowie ausufernder Bürokratie. Für 2024 rechnet er damit, dass erstmals seit 16 Jahren wieder die Marke von 7.000 Insolvenzen erreicht werden wird. Zuletzt war das 2009 am Höhepunkt der Finanzkrise der Fall.

Das bedeutet, dass es auch dringend schnelle Maßnahmen braucht, um die negativen Folgen dieser Entwicklung einzudämmen. Doch auch hier zeichnen sich unterschiedliche Zugänge ab.

SPÖ setzt auf neue Förderungen

Laut Barbara Teiber, die als Vorsitzende der Privatangestellten-Gewerkschaft GPA für die SPÖ den Bereich Arbeit mitverhandelt, müssen nun schnell wirksame Maßnahmen in den Bereichen Arbeitsmarkt und Wohnbau-Investitionen Vorrang haben. Für Teiber muss das Budget des AMS aufgestockt werden, zumal schon das bisherige durch die hohe Inflation real geschrumpft ist. Dabei dürfe man Qualifizierungsmaßnahmen nicht nur als Arbeitsmarktmaßnahme sehen, sondern auch als Integrationsförderung für Zugewanderte.

Investitionsanreizen für Unternehmen, etwa in Forschung und Entwicklung, verschließt sich Teiber nicht grundsätzlich, doch brauche es hier auch ein Entgegenkommen der anderen Seite. Offensichtlich hält sich auch die ÖVP in den Gesprächen mit konkreten Sparvorschlägen sehr zurück. Doch soweit sei man in den Verhandlungen noch nicht. Dabei drängt die Zeit, am 12. Dezember wollen die Steuerungsgruppen von ÖVP, SPÖ und Neos Bilanz ziehen und prüfen, ob weitere Verhandlungen sinnvoll sind – oder eben nicht.

ÖVP-Chef Karl Nehammer hat am Wochenende mit dem Abbruch gedroht, sollte die SPÖ auf Vermögens- oder Erbschaftssteuern beharren. Das tut sie explizit zwar nicht, pocht jedoch auf einen größeren Beitrag all jener, die es sich leisten können. Das bietet allen Seiten viel Raum für öffentliche Spekulationen und Schattenboxen. Dabei wäre eigentlich längst das Gegenteil geboten. Christoph Badelt, der Präsident des Fiskalrats, warnt davor, in der jetzigen Krisenkonstellation „zu viel zu sparen“. Investitionen in Bildung, Forschung, aber eben auch den Arbeitsmarkt seien wichtig.

Industrie will konsequent und schnell sparen

Mittel für Investitionen will auch die Industrie mobilisieren, allerdings keinesfalls um den Preis, die Ausgabenkürzungen nur halbherzig anzugehen. Christian Helmenstein, der Chefökonom der IV, plädiert stattdessen, die Sparmaßnahmen angesichts der Krisenverschärfung, vor der die IV schon seit Jahresanfang warnt, jetzt noch konsequenter und schneller umzusetzen. Je früher hier Klarheit bestehe, wie das Budget wieder EU-fit gemacht werde, desto größer die Planungssicherheit für Wirtschaft wie Konsumenten.

Andernfalls würden die mittelfristigen Kosten nur weiter steigen, ist Helmenstein überzeugt. Für diesen prognostiziert er nämlich eine Herabstufung von Österreichs Bonität durch die Ratingagenturen, was den Zinsendienst der Republik für die erheblichen Staatsschulden nach oben treibe. Der SPÖ-Forderung nach mehr Mitteln für das AMS stellt Helmenstein das Konzept niedriger Lohnnebenkosten entgegen: „Das würde mit Sicherheit gegen die steigende Arbeitslosigkeit schnell wirken.“

Was die Ausgabenkürzungen angeht, so verweist der IV-Ökonom auf andere EU-Staaten: Dänemark etwa habe es geschafft, bei den Subventionen sogar unter das Niveau von 2019 zu kommen, dem letzten Jahr vor der Pandemie, als die Förderungen überall massiv in die Höhe schossen. Sechs weitere EU-Staaten sind immerhin wieder auf dem Anteil von 2019. Österreich liegt dagegen bei den Förderungen deutlich über dem Durchschnitt von EU und Eurozone.

Die Debatte zeigt: Von einer Einigung bei diesen entscheidenden Themen sind ÖVP, SPÖ und Neos zehn Tage vor der selbst gesetzten Deadline weit entfernt.