Das Überraschendste am Wahlsieg der FPÖ in der Steiermark war, dass dieser noch deutlicher – und noch schmerzhafter vor allem für die ÖVP – ausgefallen ist als ohnehin zu erwarten. Das erhöht den Druck für die derzeit laufenden Koalitionsverhandlungen der Kanzlerpartei mit SPÖ und Neos, sich auf ein überzeugendes Reformprogramm zu verständigen, das in der Lage ist, das Land aus der akuten Krisenstimmung herauszuführen. Wie weit der Weg dorthin nach wie vor ist, machte SPÖ-Chef Andreas Babler Ende der vergangenen Woche deutlich, als er bei der nötigen Budgetsanierung einmal mehr auf deutliche Einnahmensteigerung pochte. Wie will die ÖVP dagegenhalten?

Wirtschaftsbund-Chef Harald Mahrer sieht im Gespräch mit der Kleinen Zeitung drängenden Bedarf nach einer „neuen Form von Gerechtigkeit“: Entscheidend dabei müsse sein, dass es wieder einen Unterschied gebe „zwischen Menschen, die arbeiten können, wollen und machen sowie all jenen, die es zwar könnten, aber ohne guten Grund – etwa Kinderbetreuung oder Pflegearbeit –nicht wollen und auch nicht machen“ – und diese Unterscheidung müsse völlig unabhängig davon erfolgen, ob die Menschen neu nach Österreich gekommen oder schon lange hier ansässig sind. „Entweder es gelingen einer neuen Koalition schnelle wie auch spürbare Lösungen, oder wir bleiben bei wirkungslosen Sonntagsreden“, erklärt Mahrer, der auch Mitglied im obersten ÖVP-Verhandlerteam ist.

Mahrer will „etliche heilige Kühe schlachten“

Die Existenzberechtigung einer türkis-rot-pinken Regierung will Mahrer auch an deren Bereitschaft messen, „etliche heilige Kühe zu schlachten“. Als Beispiele nennt er: Anreize für Mehrarbeit, Zuwanderung in den Arbeitsmarkt statt in den Sozialstaat sowie geringere Steuern statt höhere.

Warum aber wird dieser Fokus auf die Wettbewerbsfähigkeit in der Struktur der Koalitionsverhandlungen, wo sieben Untergruppen von Sicherheit über Wirtschaft über Soziales bis Frauen, Klima und Bildung mehr oder weniger gleichberechtigt nebeneinander stehen, nicht sichtbar? Diese Struktur hat auf die Priorisierung der Themen keinen Einfluss, antwortet Mahrer, entscheidend werde sein, dass der Fokus im Endergebnis der Verhandlungen deutlich werde: „Mitte Dezember wird es hier einen Zwischenstand geben, dann wird entschieden, ob es Sinn macht, weiterzuverhandeln oder nicht.“

Kein Rütteln an Nehammer

Dass SPÖ-Chef Andreas Babler in Interviews unbeirrt auf höhere Einnahmen für das Budget pocht, quittiert Mahrer mit dem Hinweis, es sei „immer am einfachsten, den Menschen in die Taschen zu greifen“, stattdessen müssten die Ausgaben konsequent auf ihren Wachstumsnutzen durchforstet werden.

An der Person des Kanzlers und ÖVP-Obmanns will der Wirtschaftskammer-Präsident auch nach der desaströsen Niederlagenserie bei den vergangenen Wahlen nicht rütteln: „Karl Nehammer hat bei extremem Gegenwind einen hervorragenden Wahlkampf geführt“.