Die Neos stehen an der Schwelle zur ersten Regierungsbeteiligung auf Bundesebene. Das war immer das Ziel der liberalen Partei. Schon beim Gründungskonvent im Jahr 2012 hatte der erste Parteichef Matthias Strolz mit der Ankündigung aufhorchen lassen: „Wir wollen in die nächste Regierung!“. Dreimal hat es für die Neos nicht gereicht, nun könnte es so weit sein. Allerdings ist die Schwelle hoch und unwegsam.

Dass ÖVP und SPÖ die Neos am Dienstag eingeladen haben, sich ihren Sondierungsgesprächen anzuschließen, ist keine Überraschung. Vor allem die Volkspartei hat in den vergangenen Wochen klargemacht, dass sie weder das Wagnis einer Zweier-Koalition mit der kleinstmöglichen Mehrheit von einem Mandat eingehen, noch eine weitere Periode mit den Grünen anhängen will. Dass eine Dreier-Konstellation ein fragiles Beziehungskonstrukt sein kann, war dieser Tage jedoch in Deutschland zu beobachten.

Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) und SPÖ-Parteivorsitzender Andreas Babler nach den Sondierungsgesprächen am Dienstag
Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) und SPÖ-Parteivorsitzender Andreas Babler nach den Sondierungsgesprächen am Dienstag © APA / Helmut Fohringer

„Wir wollen Neues wagen“, sagte ÖVP-Chef Karl Nehammer nach mehrstündiger Sondierung mit der SPÖ. Sein Gegenüber Andreas Babler ergänzte: „Politik und Kompromisse müssen mehr sein als der kleinste gemeinsame Nenner.“ Er verwies auf die Unterschiede zu den Neos, betonte aber die gemeinsame „Überzeugung von einem positiven Bild der Zukunft“. Schon heute, Mittwoch, geht es mit drei Parteien weiter – erstmals in Österreich.

Auf diesen Tag haben sich die Neos auch minutiös vorbereitet. Vor eineinhalb Jahren wurde dafür ein eigener Prozess mit zahlreichen Experten aufgesetzt. Er hat die Schubladen der Partei mit Vorhaben, Konzepten, den Finanzierungen dazu sowie mit Verhandlungslinien gut gefüllt. Das lässt die Neos selbstbewusst in die Gespräche eintreten. Parteichefin Beate Meinl-Reisinger wollte zwar keine roten Linien ziehen, machte aber klar: „Es muss einen Mehrwert geben und kann nicht Schwarz-Rot plus eins sein.“

Pinkes Finanzministerium möglich

Allerdings ist der Zugang der Pinken auch von Realismus geprägt. Sie sind sich der Mehrheitsverhältnisse bewusst – was wiederum das Bauchweh von ÖVP und SPÖ reduziert. In Deutschland war es die kleine FDP, an der am Ende die Koalition zerbrach. Die beiden einstigen Großparteien wissen, dass sie in einem solchen Fall auch ohne die Neos eine Mehrheit haben. Das würde zwar nicht lange gut gehen, vielleicht vier Monate und ein paar Beschlüsse, aber Türkis und Rot hätten doch ein gewisses Maß an Kontrolle.

Dass die Liberalen in einer Dreier-Variante, wie in Deutschland, das Finanzministerium erhalten, ist trotzdem nicht ausgeschlossen. Die Neos wären nicht abgeneigt, da diese Position ein wesentlicher Hebel für die von den Pinken geforderten größeren Reformen ist. Eine Koalitionsbedingung ist es nicht. Dass aber die Neos dieses zentrale Ressort erhalten und die von ihnen seit Jahren geforderte Schuldenbremse, ist jedoch sehr unwahrscheinlich. Sie spielte bei den Querelen in Deutschland eine (zu) große Rolle. Mit der SPÖ wird eine solche budgetäre Grenzziehung auch kaum verhandelbar sein, und die ÖVP hat sich von dieser Forderung auch längst verabschiedet.

Neos als Reformtreiber?

Die Neos wollen in einer Dreier-Koalition Reformtreiber sein. Zum einen betrifft das die Wirtschaftspolitik, in der es eine Nähe zur ÖVP gibt. Zum anderen geht es um das weite Feld der Bildung, wo die Positionen der Pinken jenen der SPÖ ähneln. Im Idealfall werden die Neos zum Blockadebrecher, sie wissen aber auch: Das wird mit ÖVP und SPÖ sehr schwierig.

Generell werden die Liberalen strukturelle Reformen einmahnen – auch solche, die Kompetenzverschiebungen zwischen Bund und Ländern bedingen. Das ist in Österreich grundsätzlich schwierig, doch gerade die Dreier-Koalition bietet hier Chancen.

Sollte es den Neos in den Verhandlungen gelingen, eine zumindest kleine Staatsreform zu vereinbaren, wäre eine Umsetzung an der Seite der Landeshauptmann-Parteien ÖVP und SPÖ deutlich wahrscheinlicher, als wenn sich eine dieser Parteien in Opposition befindet. Und da kommen wieder die Grünen ins Spiel. Deren Stimmen werden für Verfassungsmehrheiten bei großen Reformen benötigt.