Der freiheitliche Nationalratspräsident Walter Rosenkranz ist am Freitag von jüdischen Demonstrantinnen und Demonstranten daran gehindert worden, anlässlich des Gedenkens an die Novemberpogrome einen Kranz beim Denkmal am Judenplatz niederzulegen. Die Jüdischen Österreichischen Hochschüler:innen hatten eine Menschenkette um das Denkmal gebildet und richteten dem Burschenschafter aus: „Wer Nazis ehrt, dessen Wort ist nichts wert!“.
Rosenkranz gab schließlich nach einigen Minuten der Diskussion auf und verließ den Judenplatz sichtlich verärgert unverrichteter Dinge. Den friedlichen Demonstranten warf er vor, ihn „mit Gewalt“ am Gedenken gehindert zu haben.
Getrenntes Gedenken an Shoah-Namensmauer
Mehrere Regierungsmitglieder, Vertreter der Parlamentsparteien sowie der Israelitischen Kultusgemeinde (IKG) erinnerten indes an der Shoah-Namensmauer in der Früh an die Pogrome. Da Vertreter der FPÖ bei der Veranstaltung nicht erwünscht waren, hatte Rosenkranz angekündigt, fast zeitgleich einen Kranz am Judenplatz niederzulegen.
Die IKG hält mit Verweis auf zahlreiche antisemitische Vorfälle weiterhin Distanz zur FPÖ und damit auch zum vor zwei Wochen gewählten Nationalratspräsidenten. Es sei „unmöglich mit so einer Person gemeinsam der Opfer zu gedenken“, begründete IKG-Präsident Oskar Deutsch die Nicht-Einladung von Rosenkranz, der Mitglied der deutschnationalen Burschenschaft Libertas ist, am Rande der Gedenkveranstaltung gegenüber Medienvertretern. Erneut forderte Deutsch, dass Rosenkranz den mit dem Amt als Nationalratspräsident verbundenen Vorsitz des Nationalfonds für die Opfer des Nationalsozialismus sowie seine Rolle bei Friedhofsfond und Wiesenthal-Preis zurücklegt. Einen Kontakt der IKG mit Rosenkranz und anderen FPÖ-Funktionären schloss er auch für die Zukunft weiterhin aus.
Gewaltsame Ausschreitungen in Amsterdam
Überschattet wurde das Gedenken an die Novemberpogrome am Freitag von gewaltsamen Ausschreitungen am Rande des Auswärtsspiels eines israelischen Fußballclubs in Amsterdam am Vorabend. Deutsch verurteilte die Gewalt scharf. Es sei noch unklar, was genau passiert sei, aber es sei etwas Unmögliches, dass Leute bei einem Auswärtsspiel „auf brutalste Weise physisch angegriffen und verfolgt“ werden. „Da frage ich mich schon, wo die Polizei da war“, kritisierte der IKG-Präsident.
Die Gedenkveranstaltungen finden heuer einen Tag vor dem eigentlichen Jahrestag statt, weil dieser diesmal auf einen Samstag und damit auf den jüdischen Ruhetag Shabbat fällt. In der Nacht von 9. auf 10. November 1938 waren im gesamten „Deutschen Reich“ systematisch Synagogen in Brand gesteckt, jüdische Geschäfte geplündert und Jüdinnen und Juden misshandelt worden. Allein in Österreich wurden damals mindestens 30 Juden getötet, 7.800 verhaftet und aus Wien rund 4.000 sofort ins Konzentrationslager Dachau deportiert.
Zeichen des Gedenkens an der Fassade des Parlaments
Bereits am Donnerstagabend hatten mehrere hunderte Menschen auf Initiative von IKG und Jüdischer Jugend Wiens beim Marsch „Light of Hope“ in der Wiener Innenstadt der Novemberpogrome gedacht. Unter den Teilnehmern waren auch Regierungsmitglieder und Parteienvertreter.
Das Parlament kündigte ein „sichtbares Zeichen“des Gedenkens an die mehr als 65.000 ermordeten Jüdinnen und Juden aus Österreich, die zwischen 1938 und 1945 ermordet wurden, an. Die Zahl der Opfer soll anhand von 65.000 Punkten verdeutlicht werden: Diese sind über mehrere LED-Paneele verteilt und finden sich zu den Worten „Novemberpogrome 1938“ und „Niemals vergessen“ zusammen.