Es klingt paradox: Wenn Staaten ihre Budgets konsolidieren, verringern sie nicht ihre Schuldenquoten. Doch genauso steht es in einer Publikation des Internationalen Währungsfonds (IWF). Wörtlich heißt es: „Eine breite Palette ökonomischer und gut etablierter Methoden in der empirischen Literatur bestätigen, dass Haushaltskonsolidierungen die Schuldenquoten im Durchschnitt nicht senken“.
Die Währungshüter sagen nicht, dass es ausgeschlossen ist, den Schuldenstand durch Konsolidierungsmaßnahmen abzutragen. Die Studie ist eher als Warnung zu lesen, denn eine Vielzahl von Beobachtungen quer über den Globus offenbart, dass es meistens anders kommt als intendiert. Und ganz so paradox, wie es auf den ersten Blick scheint, ist die Erkenntnis nicht. Denn werden Ausgaben gekürzt oder Steuern erhöht, drückt dies in der Regel die Konjunktur. Die Folge: Das Verhältnis von Schulden zur Wirtschaftsleistung bleibt weitgehend unverändert und damit eben auch die Schuldenquote.
Konjunktur könnte leiden
Für die laufenden Regierungsverhandlungen ist das ein wichtiger Befund. Im Bestreben den staatlichen Haushalt zu sanieren, lässt sich viel falsch machen. Zumal die aktuellen Prognosen nur wenig Wirtschaftswachstum für die kommenden Jahre verheißen. Ökonomen warnten deshalb auch vor einem Sparpaket in Form einer großflächigen, ungerichteten Ausgabenkürzung. Es könnte die Konjunktur abwürgen und damit die Konsolidierung erschweren.
Ein Blick zurück auf das letzte größere Sparpaket in Österreich bestätigt die Warnungen des IWF. Nach der Wirtschaftskrise 2009 hatte die große Koalition über einige Jahre das Budget konsolidiert, unter anderem durch Pensionskürzungen und eine Nulllohnrunde im öffentlichen Dienst. Die Konjunktur erholte sich über Jahre nicht, da damals der private Konsum nicht und nicht anspringen wollte.
Der Ökonom Philipp Heimberger vom Institut für Internationale Wirtschaftsvergleiche (WIIW) hat sich in einer Arbeit diese Periode der Konsolidierung für ganz Europa angesehen, da nach dem krisenbedingten Ausgabenexzess 2009 so gut wie alle Staaten zum Sparen begannen. Diese Gleichzeitigkeit, so Heimberger, habe aufgrund der wechselseitigen Handelsbeziehungen die negativen Wachstumseffekte verstärkt.
Wird die EU-Kommission ein Sparregime für Europa ausrufen?
Seine Studie ist auch für die jetzige EU-Kommission relevant, die nach Jahren des Pausierens wegen der diversen Krisen ihre Fiskalregeln wieder in Kraft gesetzt hat. „Es wird aktuell immer noch unterschätzt, wenn Fiskalpolitik über mehrere Jahre auf Bremsen umschaltet“, so Heimberger.
Wie „scharf“ die Kommission ihre Vorgaben stellen wird, ist noch unklar, zumal die meisten Mitgliedstaaten die Maastricht-Ziele nicht erfüllen. Andererseits kann die Kommission die neuen Regeln nicht gleich wieder ignorieren. Wie Brüssel mit diesem Dilemma umgehen wird, ist auch für Österreichs Budgetkonsolidierung wichtig. Gerade weil die heimische Wirtschaft sehr exportorientiert ist, macht es einen Unterschied, ob sich in den kommenden Jahren halb Europa einem strengen Sparregime unterwirft oder nicht.
Nur was heißt das für die Regierungsverhandlungen? „Was man sicher vermeiden muss: Öffentliche Investitionen darf man nicht auf die lange Bank schieben“, sagt Heimberger. Laut Ökonom Dénes Kucera von der Denkfabrik Agenda Austria sollte man sich bei Kürzungen auf unproduktive Bereiche konzentrieren. Dass dafür Potenzial vorhanden ist, zeigte der Fiskalrat auf. Das deutliche Plus der verfügbaren Einkommen im Jahr 2024 floss laut Prognose nicht in den Konsum, sondern fast zur Gänze in die Sparquote. Das inkludiert gestiegene Gehälter und Löhne, aber auch staatliche Transfers wie den Klimabonus oder die angehobene Familienbeihilfe, die keiner sozialen Staffelung unterliegen.