Die aktuellen innenpolitischen Spannungen haben auch in Ansprachen der Parteichefs am Nationalfeiertag ihren Niederschlag gefunden. Am Heldenplatz in Wien sprach Bundeskanzler und ÖVP-Chef Karl Nehammer im Rahmen der Angelobung von 1000 Rekruten und rief dazu auf, die „wehrhafte Demokratie“ zu verteidigen. Dabei verurteilte er scharf eine für 9. November geplante Demonstration von Gegnern einer Koalition ohne FPÖ. Bundespräsident Alexander Van der Bellen schloss sich der Kritik an. Die Organisatoren der Demonstration kündigten am Nachmittag eine Verschiebung an – wegen „zu erwartender Ausschreitungen“.

Der Eid der Soldaten auf die Verfassung habe eine große Bedeutung, verwies Nehammer darauf, dass die Demokratie unter Druck gesetzt werde, es Krieg in Europa gebe und Desinformationskampagnen Destabilisierung und Unruhe stiften sollen. „Wehrhafte Demokratie“ bedeute auch, einem freiheitsliebenden Land zu dienen, das aus seiner Geschichte gelernt habe. Er sei deshalb „zutiefst empört“, dass eine Gruppierung den 9. November für eine Großdemonstration unter dem Motto „Macht euch bereit“ nutzen wolle.

Der 9. November sei „einer der ernsthaftesten Gedenktage, den wir haben“, unterstrich Nehammer. Er erinnerte an die nationalsozialistischen Novemberpogrome 1938, als Juden „erniedrigt, geschändet, ermordet“ wurden. Es habe Menschen gegeben, die Widerstand geleistet haben, und Alliierte, die Österreich befreit haben. Es sei wichtig, die wehrhafte Demokratie zu verteidigen, deshalb müsse man ein Zeichen setzen. Er erwarte sich „von allen politischen Parteien“, sich von der Demo an diesem Tag zu distanzieren, erklärte Nehammer. Dem pflichtete Van der Bellen in seiner Rede bei. Zuvor hatte ÖVP-Generalsekretär Christian Stocker die „Kickl-FPÖ“ aufgefordert, „sich umgehend von diesem inakzeptablen Umgang mit unserer Vergangenheit zu distanzieren“.

Demonstration wurde auf Ende November verschoben

Die Initiativen „Fairdenken“ und „Menschheitsfamilie“, die zu der Demo aufgerufen hatten, kündigten am Samstagnachmittag an, diese auf Ende November zu verschieben. „Wegen zu erwartender Ausschreitungen“ werde die Veranstaltung verschoben, teilten sie auf diversen Kanälen mit.

Zu Wort gemeldet haben sich aber auch FPÖ-Chef Herbert Kickl und SPÖ-Chef Andreas Babler mit Videos. Beide fanden am Nationalfeiertag Lobesworte für die Neutralität, sie untermauerten aber auch die Forderung nach einer Regierungsbeteiligung ihrer Parteien. Kickl zog in seiner Rede Parallelen zwischen Österreichs Weg zu Freiheit und Souveränität - der „lang und steinig, aber am Ende erfolgreich war“ - mit dem Weg seiner FPÖ an die Regierung.

Der „Weg zur politischen Erneuerung, mit der das Volk wieder in den Mittelpunkt allen politischen Handelns gestellt wird“, lasse „sich verzögern, aber es lässt sich nicht stoppen oder gar verhindern“, so der FPÖ-Chef in seiner fast zehnminütigen Ansprache. Den anderen Parteien warf er einmal mehr vor, als „Wahlverlierer“ nicht umzudenken und dem Wählerwillen nicht zu folgen „durch teils abenteuerliche Verrenkungen“. Den anderen Parteien warf er vor, „den Kriegstreibern das Wort zu reden, Waffen mit unserem Steuergeld mitfinanzieren zu lassen und unser Österreich in den Wirtschaftskrieg hineingezogen zu haben“.

Auch SPÖ-Chef Babler, der seit Freitag Sondierungsgespräche mit der ÖVP für eine mögliche Koalition führt, strich in seiner deutlich kürzeren Videobotschaft die Notwendigkeit einer Regierungsbeteiligung seiner Partei hervor. Angesichts der großen Herausforderungen - von der Gesundheitsversorgung, Inflation, Konjunktur bis zu Kinderrechten -, vor denen Österreich stehe, müsse es weitergehen, „aber nicht weiter wie bisher“, so Babler in dem am Samstag auf Facebook veröffentlichten Video.

„Weiter“ bedeute für ihn und die SPÖ Aufbruch, Fortschritt und Sicherheit sowie die Absicherung und den Ausbau von Rechten für Menschen. Das werde die Sozialdemokratie „in Verantwortung für diese Republik einbringen“ werde.