Der Termin sorgt für Irritation. Als „unerträglich“ empfindet es Bundeskanzler Karl Nehammer, dass ausgerechnet am 9. November in Wien eine Demonstration gegen eine Regierung ohne FPÖ stattfinden soll. An diesem Tag wird sich der Höhepunkt der Novemberpogrome zum 86. Mal jähren. „Das ist zu Recht ein Gedenktag und kein Tag, an dem man laut durch die Straßen zieht.“ Zudem sei FPÖ-Chef Herbert Kickl „gescheitert, einen Partner für eine Regierungsbeteiligung zu finden“, die „radikalen Kräfte haben sich selbst aus dem Spiel genommen“.
Die Organisatoren der Demo, die unter dem Motto „Macht euch bereit“ durch die Wiener Innenstadt ziehen wird, wollen das so nicht hinnehmen. Offiziell bezeichnet sich die Gruppe „Fairdenken“, die zum Protest ruft und die Verschwörungserzählung eines „großen Austauschs“ vertritt, als parteiunabhängig. Im Wahlkampf stellte sie sich hinter Kickl, den sie als „Garant für die Freiheit“ bezeichnet. Eine offizielle Unterstützung der Demo durch die FPÖ-Spitze blieb bisher aus. Sie könne verstehen, dass „Menschen ihren Unmut kundtun wollen“, sagte die Salzburger Landeshauptmann-Vize Marlene Svazek (FPÖ) in einer Diskussion auf „Servus TV“. Doch der 9. November sei der „denkbar schlechteste Tag, da muss man nicht demonstrieren“.
Blaue Frontal-Opposition
Einigkeit demonstrieren die Freiheitlichen dieser Tage im öffentlichen Auftritt nach der Nationalratswahl. Bei der konstituierenden Sitzung im Parlament suchten die FPÖ-Abgeordneten kaum das Gespräch zu anderen Fraktionen und verzichteten als einzige Partei auf Applaus für den scheidenden Nationalratspräsidenten Wolfgang Sobotka. Mit Ausnahme von dessen Nachfolger Walter Rosenkranz nahmen die frisch angelobten blauen Abgeordneten auch am ungezwungenen Austausch im Anschluss an die Sitzung, zu dem Bundespräsident Alexander Van der Bellen geladen hatte, nicht teil.
Im Ton bleibt man angriffig, auch gegenüber der ÖVP, zu der Kickl weiter „die Hand“ ausstrecken will. In der FPÖ wird die Fortsetzung der Frontal-Opposition mit dem Verweis auf „ständige Angriffe der anderen“ und die aktuell aussichtslose Perspektive auf einen Meinungswechsel in der ÖVP begründet, wonach diese doch noch den Kanzler für eine blau-türkise Koalition opfern könnte. Vom „Ausgrenzungskurs“ der anderen profitiere Kickl am meisten, deshalb setze man weiter auf das, was man am besten könne: kantige Oppositionspolitik.
Die avisierte „Macht euch bereit“-Demonstration verfolgt man in der Partei zudem mit großem Interesse. Zwar ist vorerst keine aktive Unterstützung durch die Bundespartei vorgesehen, die Freiheitlichen sehen die Veranstaltung jedoch als eine Art „Testballon“ für das Mobilisierungspotenzial rechter Wählergruppen im Land, die es erst in der Corona-Pandemie auf die Straße gezogen hat.