Nach der Glasklar-Absage Karl Nehammers an eine Kanzlerschaft Herbert Kickls trifft sich der ÖVP-Obmann am Mittwoch mit dem SPÖ-Vorsitzenden Andreas Babler. An einem unbekannten Ort, so wie es schon bei Kickl der Fall war. Die Parteiobleute scheuen in diesen Tagen die Gegenwart von Journalisten, es sei denn, sie wollen ganz gezielt ihre Botschaften platzieren. Am Donnerstag steht dann noch ein Besuch von Neos-Frontfrau Beate Meinl-Reisinger auf dem Terminkalender des Kanzlers, am selben Tag konferieren zudem Kickl und Babler. Dann ist wieder der Bundespräsident am Zug.

Unmittelbar nach den Wahlen, bei denen die ÖVP massiv abstürzte und Platz eins an die FPÖ abgeben musste, schien die Lage der Kanzlerpartei, so paradox das klingen mag, durchaus glücklich. Als zweitstärkste Kraft hinter einer FPÖ unter Kickl sind die Chancen tatsächlich intakt, weiterhin den Kanzler stellen zu können in einer Koalition mit SPÖ und einem dritten Partner. Gleichzeitig hielt die Partei eisern an der Option fest, am Ende doch eine Regierung auch mit einer FPÖ ohne Kickl eingehen zu können. Auf dass die Forderungsbäume der SPÖ, aber auch von Neos nicht in den Himmel wachsen.

Die ÖVP muss regieren – und will

Mittlerweile zeigt sich, dass die ÖVP in einer deutlich verzwickteren Lage steckt. Nicht wenige in der Partei vergleichen die Partnerwahl zwischen einer nach links gerückten SPÖ und der vor Selbstbewusstsein platzenden FPÖ als eine zwischen Pest und Cholera. Noch schlimmer aus türkis-schwarzer Perspektive wäre nur der Gang in die Opposition. Aber den kann sich in der ÖVP ohnehin niemand vorstellen. Dafür werden die Stimmen in der SPÖ lauter, die für einen Verzicht aufs Regieren plädieren – etwa der steirische SPÖ-Chef Anton Lang im Kleine-Interview. Und die FPÖ weiß, dass sie ohne Regierungsbeteiligung nur noch blendendere Wahlaussichten hätte.

Unter diesen Bedingungen gewinnt das an sich schwache Blatt der SPÖ im Poker der Regierungsverhandlungen an Stärke. Die SPÖ kann und will regieren, muss aber nicht. Die ÖVP muss und will unbedingt – und Karl Nehammer hat wohl nur dann eine politische Zukunft, wenn er auch Kanzler bleiben kann. Der Wirtschaftsflügel der ÖVP wird deshalb peinlich darauf achten, der SPÖ in Sachen Standort und Steuern nicht zu sehr – und am besten gar nicht – entgegenzukommen. Das gilt auch für die Unterstützung Nehammers.