In Wien ist vieles deutlich komplizierter als in den Bundesländern – nicht nur, aber eben auch in der Politik. 16 Tage nach der Nationalratswahl trifft heute am frühen Nachmittag ÖVP-Obmann und Bundeskanzler Karl Nehammer mit FPÖ-Chef Herbert Kickl zusammen, dem klaren Wahlsieger des 29. September. Der eine will Kanzler bleiben, der andere es werden. Noch am Vortag hat die ÖVP bekräftigt, auf keinen Fall mit Kickl regieren zu wollen, mit der FPÖ grundsätzlich aber schon. Die Freiheitlichen setzen dagegen auf einen Meinungsumschwung innerhalb der Türkis-Schwarzen angesichts der Alternative, die nur eine Koalition mit der ungeliebten und instabilen SPÖ zulassen würde.
In Vorarlberg schlägt Wallner ein anderes Tempo ein. Nur zwei Tage nach der Wahl, in der er zwar deutliche Verluste hinnehmen musste, aber die heranstürmende FPÖ unter dem 33-jährigen FP-Landechef Christof Bitschi auf Distanz halten konnte, hält der Landeshauptmann einen Gesprächsmarathon unter vier Augen ab: Um 9 Uhr trifft er Bitschi, um 11 Uhr Grünen-Chef Daniel Zadra, um 15.30 Uhr Neos-Obfrau Claudia Gamon und zum Abschluss um 17 Uhr schließlich SPÖ-Frontmann Mario Leiter. Danach sollte für Wallner klar sein, mit wem er in vertiefende inhaltliche Gespräche über die Bildung der neuen Landesregierung eintreten will.
Ergebnisse der Ländle-Wahl
Gesprächsreigen hier wie dort
Das wird aller Voraussicht nach die FPÖ sein. Das vielleicht wichtigste Argument hat Wallner Dienstagfrüh im Ö1-Morgenjournal genannt: „Wir haben auf jeden Fall keinen Kickl.“ Tatsächlich ist es: Abgesehen von der polarisierenden Persönlichkeit des FPÖ-Obmanns spricht inhaltlich auch aus Sicht der Volkspartei viel für eine Zusammenarbeit mit den Freiheitlichen. Vorausgesetzt, diese zeigen sich im Verhältnis zur EU, zu Putins Russland und einigen anderen Fragen kompromissbereit. Im Hinblick auf die SPÖ sind die inhaltlichen Differenzen vor allem in Steuer- und Standortfragen doch erheblich größer.
Während die neue Regierung im Ländle also bereits in wenigen Wochen stehen könnte, wird es in Wien wohl noch länger dauern. Am Mittwoch trifft Nehammer SPÖ-Chef Andreas Babler, am Donnerstag folgt das Treffen Kickls mit Babler. Am Freitag soll dann der Bundespräsident über das Ergebnis der von ihm beauftragten vertiefenden Gespräche unterrichtet werden. Dazwischen muss der Kanzler auch noch zum EU-Gipfel nach Brüssel.
Wie es dann weitergeht, ist offen. Möglich, dass der Bundespräsident zeitnah über das weitere Vorgehen informiert, möglich, dass er bis dahin noch einige Tage verstreichen lässt. Die gebotene Eile, von der Alexander Van der Bellen zuletzt gesprochen hat, ist bekanntlich relativ.