„Wir werden mit Herbert Kickl keine Koalitionsverhandlungen führen“, betonte ÖVP-Generalsekretär Christian Stocker. Der FPÖ-Chef hatte am Vormittag einen Regierungsbildungsauftrag für die Freiheitlichen gefordert und die Ablehnung einer blau-schwarzen Koalition durch ÖVP-Chef Karl Nehammer scharf kritisiert.
Stocker stärkte Nehammer in einer Pressekonferenz am Montagnachmittag den Rücken. „1,3 Millionen Menschen haben ihre Stimme der Volkspartei gegeben und damit zum Ausdruck gebracht, dass sie keinen Bundeskanzler Kickl haben wollen“, sagte der Generalsekretär. „Wir halten Wort, wir stehen nach der Wahl zu allem, was wir vor der Wahl gesagt haben“.
„Kickl darf sich nicht wundern, wenn er allein dasteht“
Kickl dürfe sich zudem „auch nicht wundern, dass er alleine dasteht, nachdem er fünf Jahre lang alle als Diktatoren und Volksverräter beschimpft hat“, befand Stocker. Auch inhaltlich gebe es Differenzen zwischen der Nehammer-ÖVP und der Kickl-FPÖ, so habe Kickl in seiner Zeit als Innenminister den Verfassungsschutz zerschlagen und lehne nun das europäische Luftverteidigungsprojekt Skyshield ab.
Vergangene Woche hatte Bundespräsident Alexander Van der Bellen die Chefs der drei stimmenstärksten Parteien bei der Nationalratswahl zu Gesprächen aufgefordert, um Koalitionsvarianten auszuloten. Als Obmann der Wahlsiegerin FPÖ hatte Kickl angekündigt, die Gespräche zu koordinieren. Van der Bellen habe Klarheit gefordert, sagte Kickl am Montag, doch „für Klarheit hätte der Bundespräsident gesorgt, wenn er einen Regierungsbildungsauftrag an die freiheitliche Partei vergeben hätte.“
Nach der Wahl am 29. September sieht der Bundespräsident FPÖ, ÖVP und SPÖ in einer „Pattsituation“. SPÖ, Neos und Grüne schließen eine Zusammenarbeit mit den Freiheitlichen grundsätzlich aus, die ÖVP zumindest mit der FPÖ unter Kickl. Die Blauen wiederum wollen nur mit Kickl als Kanzler regieren.
Kickl: „Der Bundespräsident hat meine Regierungsfähigkeit bestätigt“
Die FPÖ habe die Wahl eindeutig gewonnen, indem der Bundespräsident Kickl mit der Führung der Gespräche mit den beiden anderen Parteichefs beauftragt habe, „hat der Bundespräsident die Regierungsfähigkeit von mir und der FPÖ bestätigt“, befand Kickl. Es sei zudem „seit Jahrzehnten geübte demokratische Tradition“, dass die stimmenstärkste Partei den Auftrag erhalte, Regierungsverhandlungen zu führen, die allerdings auch später noch scheitern könnten.
Er habe den Eindruck gewonnen, „dass die Sicht der Spitze von ÖVP und SPÖ auf das Wahlergebnis vernebelt ist“, sagte der FPÖ-Chef. „Beide versuchen, das Machtwort der Wähler vom Tisch zu wischen.“ Es handle sich „um zwei Verlierer, die sich selbst retten wollen“. Indem Nehammer eine Koalition mit den Freiheitlichen ausschließe, betreibe er „linke Cancel Culture“.
Kickl sieht Nehammer im „emotionalen Ausnahmezustand“
Eine Koalition von SPÖ und ÖVP hält Kickl für wenig stabil, es fehle an inhaltlichen Schnittmengen. Zwischen der ÖVP und seiner Partei sieht er diese hingegen gegeben. „Vernünftige Kräfte“ innerhalb der Volkspartei seien gefordert, „Nehammer nicht in diesem emotionalen Ausnahmezustand im Stich zu lassen“ und ihn von blau-schwarzen Regierungsverhandlungen zu überzeugen. Fragen an Kickl waren am Ende der Pressekonferenz nicht zugelassen.