Bis Freitag soll Klarheit herrschen. So wünscht es sich zumindest der Bundespräsident. Zu diesem Zweck hat Alexander Van der Bellen die Parteichefs von FPÖ, ÖVP und SPÖ beauftragt, sich noch einmal in Zweierkombination zusammenzusetzen und auszuloten, wer mit wem kann – oder eben nicht. Als Wahlsieger übernimmt es FPÖ-Chef Herbert Kickl, die Kollegen von ÖVP und SPÖ, Karl Nehammer und Andreas Babler zum Tête-à-Tête zu bitten.

Die Bezeichnung „ausbaufähig“ für die Beziehungen zwischen den Spitzen ist untertrieben. Nehammer hat einst im Parlament Kickl das Du-Wort entzogen und im Wahlkampf keine Gelegenheit ausgelassen, den Chef der Blauen als radikalisiert und politisch nicht anschlussfähig zu brandmarken. Diese Antipathie beruht durchaus auf Gegenseitigkeit, obwohl die inhaltlichen Gemeinsamkeiten erheblich sind. Babler wiederum hat live im TV Kickl als „brandgefährlich für unsere Demokratie“ bezeichnet. Nehammer und Babler wiederum pflegten bisher im Grunde genommen ein Nicht-Verhältnis bei maximaler programmatischer Distanz. Insgesamt also keine wahnsinnig guten Aussichten auf irgendeine Koalition.

Blauer Manager und rote Gewerkschafter

Doch das ist natürlich nicht die ganze Wahrheit. Auch persönliche Beziehungen sind, wie so vieles andere, eine Tochter der Zeit, und es sind schon aus sehr viel erbitterten Kontrahenten Partner geworden. Der Anfang der Zweiten Republik bietet dafür Beispiele zuhauf. Und dann gibt es ja noch in jeder Partei Querverbinder über die politischen Gräben hinweg. Im Folgenden ein kurzer Blick auf die parteipolitischen Grenzgänger in der aktuell vertrackten Situation.

Die rot-blauen Gesprächskanäle sind seit bald 40 Jahren verstopft. Am stärksten verbindet die beiden noch die geteilte Abneigung gegen die ÖVP, aber für mehr hat es seit 1986 nicht mehr gereicht. Der Blaue mit den womöglich besten Kontakten in die rote Reichshälfte ist der Manager und federführende Autor des freiheitlichen Wirtschaftsprogramms Arnold Schiefer. Als ehemaliger ÖBB-Vorstand fand er einen guten Draht zu etlichen Gewerkschaftern, allen voran zu vida-Chef Roman Hebenstreit. Eine intakte Gesprächsbasis haben auch die beiden Sozialsprecher im Parlament, Dagmar Belakowitsch für die FPÖ und Josef Muchitsch als FSG-Chef.

Türkis-blaues Nest in Wiener Neustadt

Dass Türkis und Blau beste Kumpels waren, ist dagegen noch nicht lange her. Doch Kickl & Co hat sich ins Bewusstsein eingebrannt, dass die ÖVP ihnen – nach eigener Lesart – zweimal nach dem Leben trachtete: zunächst 2002 nach „Knittelfeld“ und dann erneut 2019 nach der „Ibiza-Affäre“. Seitdem ist die ÖVP der Hauptgegner der Blauen. Weil ganz oben also Eiszeit herrscht, findet man die Querverbinder deshalb primär in den Ländern und der Wirtschaft, allen voran der Industrie.

In Wiener Neustadt gibt es ein ganzes Nest davon. Da ist Klaus Schneeberger, Bürgermeister und graue Eminenz der Landes-ÖVP. Er hat maßgeblich Schwarz-Blau für St. Pölten eingefädelt. Auf FPÖ-Seite stammen Landeschef und Vize-LH Udo Landbauer sowie Generalsekretär Michael Schnedlitz aus der alten Residenzstadt Kaiser Friedrich III. Von hier kommt zwar auch ÖVP-General Christian Stocker, doch er ist als offizielle Stimme der Kanzlerpartei ganz auf Anti-Kickl-Linie.

Gute Kontakte zur FPÖ werden zudem dem oberösterreichischen ÖVP-Landesrat Wolfgang Hattmannsdorfer attestiert, der ab Jänner den Job des Wirtschaftskammer-Generalsekretärs übernimmt. Von Linz aus spielt auch Manfred Haimbuchner eine tragende Rolle, wo der blaue Landes-Vize eine betont wirtschaftsfreundliche Linie verfolgt. Trotzdem gilt: Tragfähiger als die persönlichen Verbindungen werden für den Fall des Falles einer Koalition mit Sicherheit die inhaltlichen Gemeinsamkeiten sein.

Türkis-Rot: Wenn nur die Inhalte nicht wären!

Im Vergleich dazu spielen die türkis-roten Kontakte in der ersten Liga. Das beginnt mit Nehammer, der – anders als Sebastian Kurz – für Sozialdemokraten kein rotes Tuch ist. Zum einen oder anderen SPÖler pflegt der Kanzler sogar private Beziehungen, etwa zum Wiener Finanzstadtrat Peter Hanke, den sich auch Türkise als Finanzminister oder gar Vizekanzler vorstellen könnten. Kein Geheimnis ist zudem, dass die Sozialpartner mit den Präsidenten von Wirtschaftskammer und Gewerkschaftsbund, Harald Mahrer und Wolfgang Katzian, an Kompromissen für den maroden Standort werken. Offensiv werben in der Steiermark LH Christopher Drexler und Vize Anton Lang für ein schwarz-rotes Bündnis. Und dann pflegt das Rote Wien noch ein traditionelles Bündnis mit der schwarzen Wirtschaftskammer. Bürgermeister Michael Ludwig und WKW-Präsident Walter Ruck lassen für die Inszenierung ihrer Eintracht keine Fotogelegenheit aus. Also alle paletti für Türkis-Rot? Wenn nur die Inhalte nicht wären!

In Kürze wird sich zeigen, welchen politischen Ertrag diese Netzwerke abseits des großen Scheinwerferlichts für eine künftige Regierung bringen.