Alles oder nichts. Entweder Kanzler oder Opposition. Das ist die Maximalparole, die Herbert Kickl nach seinem historischen Wahltriumph ausgegeben hat. Dass er das Land als erster blauer Regierungschef führen will, hat er am Freitag auch bei seinem ersten Gespräch mit Bundespräsident Alexander Van der Bellen in der Hofburg einmal mehr verdeutlicht.

Ohne die Volkspartei wird der FPÖ-Chef seinen Traum von der „Volkskanzlerschaft“ freilich nicht verwirklichen können. Mit der SPÖ ginge sich eine Regierungsmehrheit zwar rechnerisch aus, realistisch betrachtet ist diese Variante allerdings so gut wie ausgeschlossen. Das wirft die Frage auf: Welche Möglichkeiten hat Kickl überhaupt, um die ÖVP in einer von ihm angeführten blau-türkisen Koalition in die ungeliebte Rolle des Juniorpartners zu zwingen? Welche Köder kann er auslegen? Und was für Druckmittel hat er im Talon, sollten die Lockangebote ihre beabsichtigte Wirkung auf die Türkisen verfehlen?

Tatsächlich sind Kickls Optionen hier eher begrenzt. Politikberater Thomas Hofer hat sie für die Kleine Zeitung analysiert.

Auf den Kanzler verzichten?

„Diesen Köder wird er nicht an den Haken hängen“, ist Hofer überzeugt. Im Gegensatz zu Jörg Haider, der im Jahr 2000 mit den legendären Worten „Geh‘ du voran“ Susanne Riess-Passer den Vortritt und die Vizekanzlerschaft überließ, werde Kickl keinen Schritt zur Seite tun, um die Koalition aus der zweiten Reihe zu steuern. „Da funktioniert er anders als Haider und Heinz-Christian Strache. Das entspricht nicht seiner Denke.“ Wenn, dann mache Kickl nur die Nummer eins. Jede andere Variante, auch eine Teilzeitlösung mit Karl Nehammer oder wem auch immer in der ÖVP, „würde seine gesamte Botschaft vom Volkskanzler zerstören.“

„Da ist viel vorstellbar“, meint Hofer. So könnten die Freiheitlichen der Volkspartei das Innenministerium und die Finanzen überlassen, an denen der ÖVP seit jeher viel gelegen ist. Vor allem aber könnte der FPÖ-Chef dem mächtigen VP-Wirtschaftsflügel mit einer Reihe von großzügigen programmatischen Zugeständnissen „den Wunsch wässrig machen, so nach dem Motto: Alles, was ihr euch jemals gewünscht habt, alles, was ihr mit den Neos und der SPÖ sicher nicht bekommt, das wäre bei uns möglich.“ Ordnungs-, finanz-, wirtschafts- und migrationspolitisch könnte die FPÖ der ÖVP viel bessere Angebote machen als die SPÖ, für die es in einer Koalition auch wesentlich darum gehe, „zwischen ÖVP und Neos eingezwickt das Gesicht zu wahren“. Da wären FPÖ und Freiheitliche rasch handelseins, glaubt der Politikberater. Hier läge auch das größte Potenzial, um Druck auf die Türkisen aufzubauen.

Stimmung gegen die Zuckerlkoalition

Ein nicht zu unterschätzender Vorteil von Herbert Kickl, glaubt Thomas Hofer, bestehe darin, dass die Option, nicht zu regieren, für den FPÖ-Chef keinerlei Schrecken beinhalte. Im Gegenteil: Gegen ein mit zahlreichen Fallstricken versehenes, von Kickl schon jetzt als „Einheitspartei“ geschmähtes, türkis-rot-pinkes Bündnis Stimmung zu machen, sei für den FPÖ-Chef durchaus attraktiv: Da könne er wieder „in die Polarität gehen: hier der blaue Volkskanzler, dort der türkise Systemkanzler“. Hofer: „Damit lassen sich Stimmen sammeln, da kann er dem Wirtschaftsflügel in der ÖVP und den Landeshauptleuten schon sagen: Freunde, schaut euch an, was diese Zuckerlkoalition bedeuten würde. Wenn ihr dieses Regierungsbündnis realisiert, dann habt ihr mit einer deutlich stärkeren FPÖ zu rechnen, die sich bei den nächsten Landtagswahlen womöglich an euch vorbeischleicht“. Dass sich mit dieser Drohkulisse in der ÖVP Verunsicherung stiften lasse, zeige die Vehemenz, mit der eine türkise Phalanx an den Bundespräsidenten appelliert habe, Kickl den Regierungsauftrag zu erteilen. Die Furcht, dass der blaue Wahlsieger sich zum Opfer fortgesetzter Ausgrenzung stilisieren könnte, sei der ÖVP regelrecht anzumerken. Sie sei in Wahrheit das stärkste Druckmittel des FPÖ-Chefs, glaubt Hofer, denn: „An einer schwierigen Dreierkoalition von ÖVP, SPÖ und Neos kann die FPÖ nur wachsen.“

Der Politikberater
Thomas Hofer
Der Politikberater Thomas Hofer © APA