Für Wolfgang Sobotka tickt die Uhr: Bei der konstituierenden Sitzung des neuen Nationalrats am 24. Oktober führt er noch den Vorsitz – allerdings nur, bis eine Mehrheit der 183 neuen Abgeordneten einen neuen Vorsitz gewählt hat. Ab diesem Moment wechselt der 68-jährige Niederösterreicher ins Ausgedinge als künftiger Präsident der Politischen Akademie, der ÖVP-Parteiakademie.
Die Gepflogenheiten der Zweiten Republik entsprechend hat die FPÖ als neue mandatsstärkste Partei den Anspruch, eine Person aus ihren Reihen für das zweithöchste Amt im Staat vorzuschlagen. ÖVP, SPÖ und Neos akzeptieren dieses Vorrecht auch im Prinzip, es komme jedoch immer auf die vorgeschlagene Persönlichkeit an. Im Gespräch sind, nach dem Wechsel von Norbert Hofer als Spitzenkandidat für die Landtagswahlen im Burgenland am 19. Jänner, etwa FPÖ-Volksanwalt Walter Rosenkranz, Klubvize Susanne Fürst, aber auch Klubdirektor Norbert Nemeth.
Das Amt ist auch deshalb sensibel, weil die Person für die Dauer der Legislaturperiode nicht abwählbar ist. Am Montag sprach sich Sobotka gegen Abwahl aus, da damit auch Stabilität verbunden sei. Für das Amt sei jedoch eine untadelige demokratische Gesinnung Voraussetzung und kein Liebäugeln mit Extremismus jedweder Art.
Gegen Rechtsextreme und Wokeismus
Als für ihn persönlich wichtige Themen zählte Sobotka ein weiteres Mal den respektvollen Umgang untereinander im Parlament auf. „Abseits der Kameras ist das in den allermeisten Fällen wirklich auch gelungen“, zeigte er sich sicher. Primäre Aufgabe des Parlaments sei es, die liberale Demokratie zu stärken. Gerade in Zeiten, in denen Demokratien weltweit unter Druck stünden. „Unsere Gesellschaft ist bedroht“, so Sobotka.
Dieser strich insbesondere sein Engagement im Kampf gegen Extremismus von rechts wie links und Antisemitismus hervor. Fakten und Wahrheiten dürfen nicht grundsätzlich infrage gestellt werden, wie es etwa im postmodernen Denken üblich geworden sei. Dabei sprach er sich auch gegen die Ausbreitung des Islamismus und Parallelgesellschaften aus. Hier brauche es das Engagement der Länder, des Bundes, der Gemeinden und der Islamischen Glaubensgemeinschaft (IGGÖ) selbst. Auch das Engagement für Inklusion von Menschen mit Behinderung sowie die Stärkung der autochthonen Volksgruppen zählen zu Sobotkas persönlichen Anliegen.
Kein Unterlasser
Für ihn gingen nun „42 Jahre politischer Funktionsträgerschaft zu Ende“, so Sobotka, der für sich in Anspruch nimmt, „das Handwerk der Politik von der Pike auf“ gelernt zu haben: „Ich war immer eher ein politischer Unternehmer gewesen als ein Unterlasser. Wenn man selbst nicht handelt, wird man behandelt“, umschreibt der scheidende mächtige ehemalige niederösterreichische Landesrat und Innenminister sein Credo.