Bei der Vorarlberger Landtagswahl am 13. Oktober könnte erstmals seit 1945 nicht die ÖVP auf dem ersten Platz landen. Bei der Nationalratswahl vor einer Woche lag ihr härtester Konkurrent, die FPÖ, mit 27,17 Prozent im Ländle nur 3.917 Stimmen zurück. Der Abstand war damit weit geringer als der ÖVP lieb war, nicht nur bei Spitzenkandidat Markus Wallner schrillten die Alarmglocken. Die Ausgangslage für den Wahlsonntag bleibt spannend, denn auch Umfragen sehen ein enges Rennen.
Nach der EU-Wahl hatte die Volkspartei gehofft, dass die Bäume für die FPÖ auch bei der Landtagswahl nicht in den Himmel wachsen. Am Nationalratswahlsonntag lag die ÖVP nun aber im Wahlkreis Nord nur mehr 3.889 Stimmen vor der FPÖ. Vor allem der tiefschwarze Bregenzerwald rettete der ÖVP den Wahlkreis, denn der Bezirk Dornbirn ging an die FPÖ. Im Wahlkreis Süd schrumpfte der Vorsprung der ÖVP sogar nur auf zarte 28 Stimmen. Neben den Rückgängen im Süden, wo viele Gemeinden der ÖVP schon bei der EU-Wahl verloren gingen, geben der Volkspartei nun zudem Verluste in großen ÖVP-geführten Rheintalgemeinden und -städten zu denken. Den Schrecken will man zur Mobilisierung nutzen.
Der Schlüssel zum Wahlerfolg
Denn darin liegt der Schlüssel zum Wahlerfolg: Bei der Landtagswahl 2019 waren laut Wählerstromanalyse infolge der Ibiza-Affäre rund 10.000 FPÖ-Wähler von 2014 der Landtagswahl ferngeblieben, ebenso wie rund 6.000 ÖVP-Wähler. Die Wahlbeteiligung lag bei 61,41 Prozent, die Zahl der Nichtwähler und -wählerinnen übertraf mit rund 104.000 die Stimmen der Regierungspartner ÖVP und Grüne, die gemeinsam auf 103.000 Stimmen kamen. Für die Landtagswahl 2024 wird wie schon bei der Nationalratswahl allgemein eine höhere Beteiligung erwartet.
Könnte wirklich um „alles“ gehen
Dass es im Wahlkampf nun wirklich "um alles" gehen könnte, ist neu für die Vorarlberger ÖVP, die 2019 als stimmenstärkste Partei auf 43,53 Prozent und 17 Mandate kam. Wallner, seit 2011 im Amt und damit dienstältester Landeshauptmann, ist nach Herbert Sausgruber, Martin Purtscher, Herbert Keßler und Ulrich Ilg der fünfte Landeshauptmann Vorarlbergs, die ÖVP stellt diesen seit 1945 ununterbrochen. Kein Wunder also, dass für Wallner Platz zwei "unvorstellbar" ist. Die Volkspartei hofft nun, dass das auch vielen Wählern und Wählerinnen so geht und trommelt im Wahlkampf ein Duell um den Landeshauptmannsessel herbei.
„Exiljuden-Sager“ von Sausgruber
Damit hatte die ÖVP schon einmal Erfolg: 2009 rief Herbert Sausgruber nach dem "Exiljuden-Sager" mit dem Regierungsrauswurf von FPÖ-Frontmann Dieter Egger einen Zweikampf aus, was der ÖVP mit 50,79 Prozent die absolute Mehrheit einbrachte und der seit jeher mit in der Regierung sitzenden FPÖ insgesamt 15 Jahre Opposition. Ob die Strategie auch in so anderen Zeiten wie den heutigen aufgeht, wird sich zeigen. Beflügelt vom Bundesergebnis ist die FPÖ jedenfalls siegesgewiss, FPÖ-Spitzenkandidat Christof Bitschi rechnet fix mit einer Regierungsbeteiligung "auf Augenhöhe". Ein Duell um Platz eins will er aber keines sehen: Es gehe nicht um Machtpositionen, vielmehr um einen Dialog mit der Bevölkerung, betont er. Aufzuholen hat die FPÖ dabei viel: 2019 stürzte sie um 9,49 Prozentpunkte auf 13,93 Prozent ab.
Mobilisierung der Anhänger
Einen von der ÖVP zur Mobilisierung ihrer eigenen Anhänger ausgerufenen Zweikampf stellen auch Grüne und NEOS in Abrede, denn die Gefahr, dabei unter die Räder zu kommen, wäre groß. Dementsprechend betonen sowohl NEOS-Chefin Claudia Gamon als auch Grünen-Spitzenkandidat Landesrat Daniel Zadra, dass auch der nächste Landeshauptmann in jedem Fall von der ÖVP kommen werde und sich nur die Frage stelle, mit wem die Volkspartei künftig regieren werde. Regierungspartner Zadra will die 18,89 Prozent von 2019 jedenfalls halten, die NEOS ihre 8,51 Prozent auf Mitregierungsgröße ausbauen. In die Regierung will auch die in Vorarlberg traditionell schwache SPÖ, die seit 2009 bei und unter zehn Prozent rangiert. Trotz wenig ermutigender Umfragewerte erhofft sich Spitzenkandidat Mario Leiter eine schwarz-rote Koalition in Vorarlberg.