Bundespräsident Alexander Van der Bellen hat am Mittwoch wie üblich nach Nationalratswahlen die türkis-grüne Bundesregierung auf deren Wunsch des Amtes enthoben. Gleichzeitig betraute er die Regierung mit der Fortführung der Verwaltung, bis eine neue gefunden ist. Ab Donnerstag wird der Bundespräsident dazu Gespräche mit den Vorsitzenden der fünf Parlamentsparteien führen. „Ich werde das mit der nötigen Ruhe und in der nötigen Tiefe tun“, betonte er bei der Zeremonie.
Nicht in die Karten schauen ließ sich Van der Bellen dabei, ob er FPÖ-Parteichef Herbert Kickl nach dem freiheitlichen Wahlsieg mit der Regierungsbildung beauftragen wird. „In einem ersten Schritt“ werde er mit Vertreterinnen und Vertretern aller Parlamentsparteien reden, kündigte er an. „Jetzt geht es darum, miteinander zu reden. Und eine tragfähige Mehrheit zu finden“, sagte Van der Bellen. Wenn das Zeit brauche, sei diese gut investiert. Wie bereits am Wahlabend betonte Van der Bellen, dass ihm bei der Regierungsbildung wichtig sei, dass die Grundpfeiler der liberalen Demokratie - Rechtsstaat, Gewaltenteilung, Menschen- und Minderheitenrechte, unabhängige Medien und die EU-Mitgliedschaft - respektiert werden.
Vom Kanzleramt in die Präsidentschaftskanzlei
Die türkis-grüne Regierung traf sich heute zum Ministerrat im Kanzleramt, um zu beschließen, dass man wie vorgesehen dem Bundespräsidenten die Demission anbieten wird. Kurz vor 13 Uhr ging die alte Regierungsmannschaft dann gemeinsam über den Ballhausplatz in die Präsidentschaftskanzlei. Dort zogen sich zunächst Kanzler und Vizekanzler mit dem Staatsoberhaupt für etwa fünf Minuten in dessen Büro zurück.
Anschließend enthob das Staatsoberhaupt die Regierung ihres Amtes, betraute sie aber gleichzeitig mit der Fortführung der Verwaltung, bis eine neue gefunden ist. Jedes einzelne Mitglied musste am berühmten Angelobungstisch im Maria-Theresien-Zimmer Platz nehmen.
Regierung schrumpft auf 16 Mitglieder
Gegenüber dem jetzigen türkis-grünen Team sind für die provisorische Regierungsmannschaft einige moderate Änderungen vorgesehen. Von den 17 Regierungsmitgliedern bleiben nur 16 im Amt, Staatssekretärin Andreas Mayer scheidet aus und kehrt in die Bundespräsidentschaftskanzlei zurück.
Staatssekretäre werden wieder ernannt
Während Nehammer, Kogler und die zwölf Minister mit der Fortführung der Amtsgeschäfte betraut werden, müssen Staatssekretärin Claudia Plakolm sowie Susanne Kraus-Winkler neu ernannt werden. Dieser juristische Kniff ist notwendig, weil eine Fortführung der Amtsgeschäfte bei Staatssekretären nicht möglich ist.
Kogler ist nicht mehr Vizekanzler
Selbiges gilt für die Funktion des Vizekanzlers. Grünen-Chef Werner Kogler ist ab heute nur noch einfaches Regierungsmitglied und muss somit eine moderate Gehaltseinbuße hinnehmen. Im Ernstfall vertritt Außenminister Alexander Schallenberg den Kanzler. Im Amt verbleiben auch die Kanzleramtsministerinnen Karoline Edtstadler und Susanne Raab, obwohl einige Juristen die Meinung vertreten, dies sei bei der Fortführung nicht möglich.